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Wertkonservativ auf türkisch

Gegen den Trend gewinnt die türkischsprachige Zeitung »Zaman« Leser dazu

  • Lesedauer: 3 Min.
Wer an türkische Zeitungen in Deutschland denkt, dem fällt in der Regel sofort der Titel »Hürriyet« ein. Weniger bekannt ist die Zeitung »Zaman«. Anders als viele türkischsprachigen Medien in Deutschland gewinnt das wertkonservativ geprägte Blatt Leser dazu.

Um es gleich vorweg zu sagen, auch den türkischen Zeitungen in Deutschland geht es nicht unbedingt gut. Obwohl hierzulande rund drei Millionen türkischstämmige Bürger leben, lesen diese immer weniger ihre heimatsprachliche Tagespresse. Gegen den Trend will »Zaman« aber nicht schrumpfen, sondern ist nun aus dem hessischen Offenbach nach Berlin in eine neue Hauptstadtredaktion gezogen. »Die Probleme, die die deutschen Medien haben, haben wir auch. Vor rund 15 Jahren verkauften die türkischen Zeitungen in Deutschland noch mehr als 200 000 Exemplare. Mittlerweile sind es nur noch rund 70 000«, sagt Ismail Kul, Kolumnist bei der Tageszeitung »Zaman Avrupa«, türkisch für »Zeit Europa«.

Seit 23 Jahren ist »Zaman« hierzulande auf dem Markt und hat nach eigenen Angaben derzeit rund 30 000 Abonnenten, Tendenz steigend. Damit liegt »Zaman« in Deutschland immerhin zumindest gleichauf zu seinem türkischen Boulevard-Konkurrenzblatt »Hürriyet«. Jeden Tag druckt die »Zaman« 24 Seiten, die auch viele Artikel aus der türkischen Mutterzeitung übernimmt. Aber »Zaman Deutschland« ist eine eigenständige AG und redaktionell unabhängig. Man habe noch Kooperationsvereinbarungen mit der türkischen »Zaman«. Ziel sei es aber, eine nur in Deutschland recherchierte und geschriebene Zeitung zu produzieren, die das deutsch-türkische Milieu anspricht. Mit zusätzlichen Onlineangeboten auf Deutsch und Türkisch wolle man damit neue und vor allem jüngere Leser gewinnen, sagt Süleyman Bağ sagt, der für die Online-Nachrichtenportale DTJ-Online.de und Zaman-Online.de verantwortlich ist.. »Die Chance lag für uns in den vergangenen zehn Jahren darin, dass hier ein deutsch-türkischer Mittelstand und ein Bildungsbürgertum entstanden ist. Das sind Menschen, die ethnische und religiöse Identitäten nicht als Konfliktgegenstand erleben, sondern einen dialogischen Ansatz haben, also diese Vielfalt als Bereicherung empfinden.«

Daher versucht »Zaman« nicht nur türkische, sondern auch deutschstämmige Leser zu erreichen, vor allem durch das Deutsch-Türkische Journal dtj-online.de, Slogan: »Das andere Nachrichtenportal«. Wenn das Onlineangebot gut angenommen wird, soll in wenigen Jahren auch ein deutschsprachiges Wochenmagazin als Printausgabe angeboten werden. »Wir wollen mehr als zehn deutsche Journalisten gewinnen, die für uns über Themen aus der Mehrheitsgesellschaft schreiben«, verrät Bağ. Schon jetzt berichten zwei deutsche Muttersprachler für dtj-online.

»Wir sind keine Boulevardzeitung. Wir sind vergleichbar mit SZ oder FAZ. Zu den NSU-Morden finden unsere Leser eben keine Provokation. ›Hürriyet‹ druckte acht Fotos der türkischen Opfer und der neunte Bilderrahmen war leer mit dem Tenor, welcher Türke in Deutschland ist das nächste Opfer? So etwas macht ›Zaman‹ nicht«, sagt Ismail Çevik aus der Berliner Redaktion.

Die Ursprünge der »Zaman« sind jedoch weniger bildungsbürgerlich als vielmehr religiös fundiert. Bis heute zählt die »Zaman« zur weltweiten Bewegung des türkisch-amerikanischen Predigers Fetulah Gülen, dem der Aufruf »Baut Schulen statt Moscheen« zugeschrieben wird. Kritiker sehen hinter Gülen aber eine pseudo-moderne Bewegung, die mit einer geschickten Bildungs- und Medienarbeit heimlich eine Islamisierung der westlichen Gesellschaft betreibt. In der »Zaman«-Redaktion will man davon aber nichts wissen. Auch wenn Fetulah Gülen jeden Freitag in der Zeitung eine eigene Kolumne hat, so sei die Redaktion weder wirtschaftlich noch inhaltlich von Gülen abhängig. »Religion sehe ich als Redakteur positiv, aber ich schreibe nicht tagtäglich über religiöse Themen. Wir sind dafür, dass der Bürger gegenüber dem Staat gestärkt wird. Demokratie ist eine Errungenschaft, die wir voll unterstützen. Genauso wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Bildung, die Unterstützung der Familie. Insofern könnte man uns wertkonservativ nennen«, sagt der Berliner Redaktionsleiter Süleyman Bağ.

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