Schmerz und Verlust des Alan Clay

Roman von Dave Eggers

  • Walter Kaufmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Amerikaner Alan Clay, mit einem Team junger Mitarbeiter in eine aus der Wüste gestampfte saudi-arabischen Stadt am Roten Meer entsandt, um dort seine Firma zu repräsentieren, hat viel Muße, über seine Vergangenheit nachzudenken. Denn König Abdullah, der mit einer Präsentation beeindruckt werden soll, kommt und kommt nicht. Und als er dann nach Wochen auftaucht, sind die Amerikaner von einer chinesischen Firma aus dem Rennen geschlagen, ist längst der lukrative IT-Auftrag ins Reich der Mitte geholt.

Da ruft sich Alan Clay vergangene berufliche Niederlagen ins Bewusstsein. Er erinnert sich seiner Schuldenberge in den Staaten, seiner Ehekrise und väterlicher Unvollkommenheiten. In den Stunden erzwungener Untätigkeit schreibt er schuldgeladene Briefe an seine Tochter, für deren Studium er nun fürchtet, nicht länger aufkommen zu können. Ihm fällt ein, wie er einst als junger Mann ein Gartengrundstück ummauern wollte - was ihm, nachdem er im Baumarkt Zement und in einem Spezialgeschäft die unterschiedlichsten Steine beschafft hatte, mit viel Mühe gelang. Kaum aber waren die Steine zusammengefugt und befestigt, musste er für teures Geld die Mauer wieder abreißen lassen, weil die behördliche Baugenehmigung nicht eingeholt worden war.

Ähnlich läuft es auch mit dem Roman des Dave Eggers. Die unterschiedlichsten Steine (sprich: geschliffene Passagen) werden zusammengetragen, ohne wirklich zusammenzupassen: saudi-arabische Zufallsbekanntschaften, gewagte Abstecher durchs Land, eine Geschwulst im Rücken des Alan Clay muss operativ entfernt werden, was einen Krankenhausaufenthalt nötig macht, und schließlich bahnt sich zwischen ihm und der behandelnden Ärztin ein Liebesverhältnis an. Die Ärztin widersetzt sich den saudi-arabischen Sittenzwängen und lockt den Fremden in ihr Haus. Was halbwegs hinzunehmen wäre, wenn deren Dialoge weniger konstruiert wirken würden. Kaum eine Episode im Roman scheint vom Autor im literarischen Sinn durchlebt, es sind Kopfgeburten - die Wolfsjagd, die CIA-Verdächtigung, die Flucht des Liebespaars in die Abgeschiedenheit. Und dass wiederholt und recht willkürlich banale Witze in den Text eingestreut werden, erhöht den Unterhaltungswert des Buches wenig.

Mag Dave Eggers auch als der amerikanische Schriftsteller des Augenblicks gelobt sein, mag »Ein Hologramm für den König« als eine Parabel auf den Bedeutungsverlust der USA gelesen werden, aber sein Talent - wie in der FAZ geschehen - mit Norman Mailers »Der Alptraum« oder Truman Capotes »Kaltblütig« zu vergleichen, ist doch zu hoch gegriffen.

Dave Eggers: Ein Hologramm für den König. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wesel und Klaus Timmermann. Verlag Kiepenheuer & Witsch. 352 S., geb., 19,99 €.

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