Friedlicher Protest und Parteienschelte

Endlagersuche: Grüne weiter unter Druck

  • Dieter Hanisch, Brokdorf
  • Lesedauer: 2 Min.
Bei Anti-AKW-Protesten wurden am Sonntag nicht nur die Atomkraft, sondern auch die Grünen kritisiert.

Am Sonntag traf sich ein breites Spektrum von Kernkraftgegnern aus Anlass des 27. Jahrestages der Atomkatastrophe in Tschernobyl rund um den Reaktor Brokdorf in Schleswig-Holstein. Die rund 1500 Gleichgesinnten hielten dabei telefonischen Kontakt zu Demons- tranten im niedersächsischen Grohnde, die mit einer Ankettaktion für Aufmerksamkeit sorgten. Die vielfältigen Proteste verliefen vollkommen friedlich. Da passte die Behinderung der Arbeit einzelner Journalisten durch die Polizei überhaupt nicht ins Bild.

Das alles beherrschende Thema war die aktuelle Diskussion um die Suche nach einem Atommüllendlager und Zwischenlagerlösungen für im Jahr 2015 insgesamt 26 vertraglich zurückzunehmende Castoren aus der Wiederaufbereitung. Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) war der erste, der Umweltminister Peter Altmaier (CDU) in letzterer Frage bei Verzicht auf Gorleben die Abnahme von Castoren angeboten hatte.

Dafür steckt Habeck derzeit in der eigenen Partei viel Kritik ein. »Solche Alleingänge sind nicht hinnehmbar«, kritisiert der Basisgrüne Gerhard Boll aus Geesthacht. »Ich bin sehr enttäuscht«, fügt der in Sichtweite zum Brokdorfer Reaktor wohnende Heinrich Voß hinzu. Es sei nicht in Ordnung, sich den Standort Brunsbüttel herauszusuchen, nur weil man dort mit dem geringsten Widerstand rechne, ergänzt Voß.

Nach Brokdorf hat Habeck sich nicht getraut, dafür muss er morgen bei einem Sonderparteitag der Landesgrünen in Neumünster Rede und Antwort stehen. Dort will die Parteispitze für einen Antrag werben, der eine Lastenverteilung auch auf andere Standorte vorsieht. Ein Änderungsantrag fordert, dass rückzuholender Atommüll in den Zwischenlagern der AKW landet, die ihn produziert haben und dass kein neuer Atommüll mehr anfallen darf. Der Landesverband will seine Entscheidung auch ins Bundestagswahlprogramm hineinbringen, das am nächsten Wochenende in Berlin verabschiedet werden soll.

Jürgen Ruge von den Steinburger Grünen ärgert sich, dass seine Partei in der Kritik steht, während die Koalitionspartner SPD und Südschleswigscher Wählerverband (SSW) fein raus sind. Im Vorjahr wehten noch viele SPD-Fahnen im Brokdorfer Wind, auch SSW-Spitzenpolitiker ließen sich blicken. Beide suchte man diesmal vergeblich.

Sabine Tabel, AKW-Gegnerin aus Dithmarschen, ist überzeugt, dass die Grünen bereits bei der Kommunalwahl am 26. Mai die Quittung bekommen. Walter Sauermilch, 1983 erster grüner Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein, kehrte den Grünen bereits während des Kosovo-Konflikts den Rücken. »Meine Haltung zur Atomkraft ist bis heute gleich geblieben, wer sich geändert hat, das sind die Grünen.« In Brokdorf schlug er der Bundestagsfraktion der LINKEN vor, sich im Fall, dass aus dem Endlagersuch-Gesetzentwurf ein Gesetz werden sollte, mit einer Organklage juristisch in Stellung zu bringen.

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