Die Angeklagte

Beate Zschäpe, eiskalte Killerin oder Kaffeeklatschtante?

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Beate Zschäpes Adresse lautet derzeit: Stadelheimer Straße 12 in 81549 München. In der dortigen Frauenabteilung der Justizvollzugsanstalt habe sie nach anfänglichen Schwierigkeiten sogar Anschluss bei anderen Gefangenen gefunden, heißt es.

Wer ist Beate Zschäpe? Eine Mörderin? Eine Mitläuferin? Welche Rolle sie in der rechtsextremistischen Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) spielte, wird der heute endlich beginnende Prozess zu klären haben. Zschäpes Verteidiger behaupten, dass es keinen konkreten Ermittlungsbeleg gebe, der einen »wesentlichen Tatbeitrag« ihrer Mandantin bei den zehn Morden an Kleinunternehmern und einer Polizistin sowie den zwei Bombenanschlägen in Köln beweise. Sie wollen es bei Brandstiftung belassen. Zschäpe, das von Rassenhass zerfressene Monster? Zschäpe, die liebe Nachbarsfrau, die gern zum Kaffeeklatsch kam, schweigt. Billigte sie den Weltanschauungsjob ihrer Freunde oder tat sie mehr?

Böhnhardt und Mundlos - beide tot - waren brutale Rechtsradikale, denen alles zuzutrauen ist. Doch wie steht es um deren Freundin Beate Zschäpe? Medial ist sie das Gesicht des NSU, mal blickt es auf Fotos aus der Trio-Zeit fast unbekümmert in die Kamera, so wie es nur unschuldig-unbekümmerte Kinder können, dann wieder ist sie strenge und selbstbeherrschte Frau.

Die Bedingungen, unter denen sie als Wendekind aufwuchs, sind beklemmend. Ihre Mutter, Annerose A., eine damals 22 Jahre alte Studentin der Zahnmedizin, wurde am 2. Januar 1975 in ein Jenaer Krankenhaus eingeliefert. Verdacht auf Nierenkolik, doch es waren Wehen. Bald nach der Entbindung ging sie vorübergehend in die rumänische Hauptstadt Bukarest zurück, um ihr Studium fortzusetzen. Beate wuchs bei der Großmutter in Jena auf. Die Mutter heiratete einen Jugendfreund aus der Nachbarschaft. Kaum dass die junge Frau ihr Studium beendet hatte, zerbrach die Ehe, es folgte eine zweite, auch die scheiterte. Sie sei ein »Omakind« gewesen, hat Beate Zschäpe ausgesagt, nachdem sie sich am 8. November 2011 der Polizei gestellt hatte.

Als die DDR unterging, verlor die Mutter, ihre Tochter dagegen war ein lebenshungriger Teenager, orientierte sich zunächst politisch links, lernte dann aber Uwe Mundlos kennen: ein Professorensohn, ein Jahr älter, klug. Dennoch war er ein Fascho-Skin, trug Bomberjacke, schwarz-rot-goldene Hosenträger, Springerstiefel, machte Nazisprüche. Er gefiel ihr und das Gefühl war wohl der Beginn ihrer Odyssee durch die Hasswelt von Rechtsextremisten. In einem Jugendclub im Jenaer Stadtteil Winzerla versuchte man solche gefährdeten Jugendlichen »aufzufangen« - und erreichte das Gegenteil. Irgendwann war nicht nur Mundlos an ihrer Seite, sondern auch Uwe Böhnhardt.

Nach der Schule absolvierte Zschäpe eine Gärtnerlehre; außer in ABM-Projekten war sie nie dauerhaft berufstätig. Umso mehr trieb sie sich gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt in der Szene herum, vor allem im »Thüringer Heimatschutz«. 1995 wurden bei einer Hausdurchsuchung »ein Morgenstern mit einer Stahlkette« und »ein Dolch mit beidseitig geschliffener Klinge« gefunden, vermerkt die Polizei.

Zschäpe soll Mitte der 90er einer Schülerin, die sie der linken Szene zuordnete, das Fußgelenk gebrochen haben. Sie sei »verschlagen« und »bauernschlau«, sagte ein Ermittler, der gegen Zschäpe ermittelt hat. Damals waren in Jena Briefbomben und andere Sprengattrappen aufgetaucht. Am 26. Januar 1998 hatte der Thüringer Verfassungsschutz eine »Operation Drilling« laufen: In einer Jenaer Garage, die Zschäpe angemietet hatte, wurden Rohrbomben gefunden. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe tauchten unter - in Chemnitz und Zwickau.

Man kannte Zschäpe dort als Lisa oder Susann Dienelt. Es waren insgesamt wohl mehr als zehn verschiedene Identitäten, die sie nutzte. In der Nachbarschaft sah man sie als freundliche, hilfsbereite junge Frau, die Katzen liebte und zum Griechen essen ging.

Stimmt das Bild? Hat sie wirklich den beiden mörderischen Kerlen nur ein Heim geschaffen? Der norwegische rechtsextreme Massenmörder Anders Breivik schrieb ihr, sie sei eine »Märtyrerin der konservativen Revolution«. Er forderte die »liebe Schwester Beate« dazu auf, ihren Prozess für rechtsextremistische Propaganda zu nutzen. Wenn klar werde, dass sie wirklich eine militante Nationalistin sei, würde sie zu einer »mutigen Heldin des nationalistischen Widerstands, die alles getan und geopfert hat, um den Multikulturalismus und die Islamisierung Deutschlands zu stoppen«.

Welches Bild wird der Prozess von Beate Zschäpe zeichnen?

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