Die russische Katze
Roland Etzel über Chancen der Beendigung des Syrien-Konflikts angesichts unterschiedlicher Interessen
Ein russischer Diplomat der Jelzin-Ära wurde einmal nach den Konturen der russischen Interessen im Nahen Osten gefragt. Die seien nicht leicht zu erkennen, erwiderte dieser - etwa wie eine schwarze Katze in dunkler Kammer. Um dann hinzuzufügen: »Aber unter uns: In dem Raum ist keine Katze.«
Dieses Bonmot darf inzwischen als überholt gelten. Nicht erst die Ost-West-Konfrontation auf dem G8-Gipfel vermittelte London, Paris und vor allem Washington die zweifelsfreie Botschaft, dass da »wieder eine Katze ist«; oder anders gesagt, dass Russland sehr wohl - wieder - Interessenpolitik im Nahen Osten betreibt und sich folglich weigert, tatenlos zuzusehen, wie seinem letzten Verbündeten in der Region mit vereinter Hilfe einer vielköpfigen internationalen Allianz das Fell über die Ohren gezogen wird. Es ist müßig, darüber zu palavern, ob Moskau ein Recht darauf hat, auf diese Weise seinen Militärstützpunkt in Syrien zu sichern - seinen einzigen in der Region -, wenn man dazu nicht wenigstens erwähnt, dass das Pentagon dort derer 50 hat.
Es ist von der einen wie der anderen Seite anmaßend, die Lebensräume anderer Völker als Felder eines globalen Schachbretts zu sehen. Und Russland dabei als wiedererstarkten Faktor in der Weltpolitik hinzunehmen, fällt dem Westen sichtlich schwer. Aber der Weg zu einem Kriegsende ist in Syrien derzeit kaum denkbar ohne eine Anerkenntnis der Interessen der Großmächte untereinander.
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