Streikopfer

Vítor Gaspar, Portugals unbeliebtester Minister, trat zurück

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 2 Min.

Der portugiesische Finanzminister Vítor Gaspar ist wegen des massenhaften Widerstands gegen seine drakonische Sparpolitik zurückgetreten. Der 52-Jährige ist das erste Opfer des Generalstreiks, der Portugal am vergangenen Donnerstag lahmgelegt hatte.

Ministerpräsident Pedro Passos Coelho verliert damit seinen Stellvertreter und den Technokraten, der den Sparkurs durchgesetzt hat, den die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) Portugal aufzwingt. Dieser Kurs bescherte dem Land eine dreijährige Rezession und eine Rekordarbeitslosigkeit.

Der Ökonom Gaspar hatte in der portugiesischen Notenbank Karriere gemacht und war bis 2004 Generaldirektor für Forschung der EZB. Als Mitglied des Währungsausschusses und Vertreter des Finanzministers hatte er auch den Vertrag von Maastricht mit ausgearbeitet, gegen dessen Stabilitätskriterien Portugal später eklatant verstieß. Als »Unabhängiger« wurde er nach dem Rettungsantrag Lissabons 2011 in die Regierung geholt, obwohl er nicht über politische Erfahrung verfügte.

Schon im April hatte Gaspar zurücktreten wollen, als das Verfassungsgericht Teile seines Haushalts für verfassungswidrig erklärte. Doch Premier Coelho lehnte das Gesuch ab. Jetzt aber wurde es dem unbeliebtesten Minister des Landes zu arg. Gegen das Urteil der obersten Richter musste er die Zahlung des Urlaubsgelds für öffentlich Bedienstete und Rentner auf November verschieben, und neue Sparmaßnahmen stehen bevor. Denn das Haushaltsdefizit ist im ersten Quartal auf 10,6 Prozent geklettert, statt in Richtung drei Prozent zu sinken.

Für Portugals Ombudsmann Alfredo José de Sousa ist mit Gaspar der »eigentliche Ministerpräsident« zurückgetreten, denn der Finanzminister hlabe das Land in den letzten zwei Jahren faktisch regiert. Ebenso wie die Gewerkschaften und die Opposition fordert de Sousa deshalb von Staatspräsident Anibal Cavaco Silva, die Regierung aufzulösen. Vorerst aber wurde die bisherige Staatssekretärin Maria Luís Albuquerque als neue Finanzministerin vereidigt.

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