Mini-Reform für Klimaschutz

Europäisches Parlament stimmt nun doch für Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Zertifikaten

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Im zweiten Anlauf hat das EU-Parlament am Mittwoch in Straßburg einer Reform des Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten zugestimmt. Für die Reform stimmten 344 Abgeordnete, 311 mehrheitlich konservative Politiker waren dagegen.

Nachdem in einer ersten Abstimmung des EU-Parlaments im April keine Mehrheit erreicht wurde, hatte der Umweltausschuss einen abgeschwächten Vorschlag erarbeitet. Weiterhin sollen Verschmutzungsrechte für 900 Millionen Euro vom Markt genommen werden, allerdings nur solange ausgeschlossen werden kann, dass die Maßnahme nicht zur Verlagerung CO2-intensiver Produktionen ins Ausland führt. Zudem werden die Zertifikate nur einmalig und für ein Jahr zurückgehalten.

Das sogenannte Backloading soll den Preisverfall der CO2-Zertifikate stoppen. Deren Preise liegen seit längerem unter fünf Euro, ursprünglich hatte die Kommission um die 30 Euro angepeilt. Ein hoher Preis soll Unternehmen überzeugen, in klimaschonende Technologien zu investieren. Der erhoffte Effekt blieb aber aus, weil die Industrieproduktion in der EU wegen der Krise zurückgegangen ist und zu viele Zertifikate den Markt überschwemmten.

Matthias Groote, Vorsitzender des EU-Umweltausschusses, begrüßte das Abstimmungsergebnis als »guten Tag für den Klimaschutz«. Der Sozialdemokrat hatte sich maßgeblich für den Kompromiss eingesetzt, um den Emissionshandel vor dem Aus zu bewahren. Liberale und Konservative lehnten den Vorschlag als »Eingriff in den Markt« ab. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament sprach gestern von einer »lächerlichen Entscheidung«. Backloading sei »ein Musterbeispiel für eine verfehlte Kompromisspolitik im EU-Parlament«, so Herbert Reul, Mitglied im Industrieausschuss, der das Vorhaben abgelehnt hatte.

Der EU-Fraktionsvorsitzenden Rebecca Harms (Grüne/EFA) geht der Vorschlag hingegen nicht weit genug. »Mit diesem Beschluss werden wir nicht erreichen, dass der Preis für Zertifikate ausreichend ansteigt und der Emissionshandel wieder funktioniert«, so Harms. Sie forderte eine »drastische und dauerhafte Reduzierung der CO2-Zertifikate«. Aktuell sind nach Angaben der Grünen etwa 1,5 Milliarden überflüssige Zertifikate auf dem Markt.

Auch innerhalb der Wirtschaft gehen die Meinungen auseinander. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen, Hans-Joachim Reck, sagte, es sei »gut, dass sich das EU-Parlament dafür ausgesprochen hat, das System neu zu beleben.« Weitere Schritte sollten aber zügig folgen. Der Bundesverband Erneuerbare Energie hatte im Vorfeld vor einer »Renationalisierung und Fragmentierung der EU-Klimapolitik« gewarnt, sollte die Abstimmung scheitern. Unternehmen wie Unilever, Shell und Eon haben sich ebenfalls für eine Reduzierung der Verschmutzungsrechte ausgesprochen. Lobbyverbände wie der Bund der Industrie (BDI) hatten in den vergangenen Monaten dagegen immer wieder gefordert: »Das EU-Parlament muss den Vorschlag ablehnen. Sonst diskreditiert die EU das gesamte System, verunsichert dringend benötigte Kapitalgeber und gefährdet europaweite Investitionsprojekte«, sagte Holger Lösch, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI.

Jan Kowalzig, Klimaexperte der Nichtregierungsorganisation Oxfam, bewertete die Entscheidung als »einen wichtigen ersten Schritt«. Jedoch sei die Menge zurückgehaltener Zertifikate »zu gering, um eine echte Wirkung zu erzielen«. Christoph Bals von Germanwatch kritisierte, der Kompromiss habe »mehr Löcher als ein Schweizer Käse«.

Wie schnell die Reform umgesetzt werden kann, ist indes unklar. Parlament und Rat müssen sich auf eine Position einigen. Bisher ist der Rat gespalten. Frankreich etwa ist dafür, Polen mit seinen vielen Kohlekraftwerken dagegen. Die Regierungskoalition ist in der Frage zerstritten: Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) begrüßte gestern das Ergebnis, Bundeswirtschaftsminister Phillip Rösler (FDP) lehnt jegliche Maßnahmen kategorisch ab. »Die europäische Umweltpolitik krankt daran, dass Deutschland als stärkstes Wirtschaftsland der EU selten mit einer Stimme spricht«, kritisierte Groote und forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, »ihrem Ruf als Klimakanzlerin gerecht zu werden«.

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