Linker Antisemitismus

Debatten damals und heute

  • Bernd Hüttner
  • Lesedauer: 2 Min.

Kaum ein Thema löst so viele Emotionen in der Linken aus wie die als Antisemitismus denunzierte Israelkritik. »nd«-Autor Peter Nowak möchte eine knappe Zusammenfassung des Antisemitismusstreits in der deutschen Linken liefern. Dies ist angesichts beschränkten Platzes innerhalb eines Bandes selbstverständlich nur mit Mut zur Lücke möglich. Nowak verwendet nicht die Begriffe »antideutsch« und »antiimperialistisch« zur Beschreibung der beiden Pole der Debatte. Stattdessen spricht er von einem »israelsolidarischen« und einem »israelkritischen Spektrum«, was die Sichtweise verbreitert, aber eine Dualität auch nicht ganz vermeiden kann. Nowak grenzt regressiven Antizionismus und regressive Israelkritik von deren anderen Spielarten ab und kritisiert beide.

Der Autor durchschreitet die 1960er und 1970er Jahre und schildert kurz Debatten im SDS und in dessen Umfeld. Schon vor dem Zusammenbruch des Realsozialismus hatte es in einigen Gruppen der radikalen Linken eine selbstkritische Debatte zum linken Antisemitismus gegeben. Diese gewann durch den nationalen Taumel, der die deutsche »Vereinigung« begleitete, neue Nahrung. Konnte die Linke angesichts des nun zunehmenden Rassismus und Nationalismus noch behaupten, sie vertrete die Interessen der (unterdrückten) Mehrheit der Bevölkerung? Und war nicht das antikoloniale Modell der nationalen Befreiung angesichts des Weltmarktes überholt? Brachte die Fokussierung auf die Ökonomie ein verkürztes Verständnis des deutschen Rassismus und Nationalsozialismus? Hier löste u. a. das 1995 erschienene Buch von Daniel Goldhagen über den eliminatorischen Antisemitismus der Deutschen wichtige Reflexionsprozesse aus.

Dem Band beigefügt ist ein Interview mit Peter Ullrich. Der Soziologe weist bei aller auch von ihm vertretenen Kritik an »den Antideutschen« auf deren Verdienste hin: Sie hätten den Befreiungsnationalismus kritisiert, eine ideologiekritische Analyse des Antisemitismus vorgenommen und den subjektlosen Charakter des Kapitalismus herausgestrichen. Als großes Problem benennt er indes deren moralischen Rigorismus, der mit dem Schlagwort »Anpassung« jegliche Nachdenklichkeit ersticke. Freilich, »die Antideutschen« - und das zeigt dieses Buch deutlich - sind nicht so homogen und dogmatisch, wie oftmals angenommen wird.

Jüngeren Genossen und Genossinnen, die die damaligen Debatten nicht aus eigenem Erleben kennen, wie auch jenen, die diese dereinst geführt haben, sowie generell allen Lesern und Leserinnen, die sich heute mit dem Thema auseinandersetzen müssen und wollen, sei dieser Band wärmstens zur Lektüre empfohlen.

Peter Nowak: Kurze Geschichte der Antisemitismusdebatte in der deutschen Linken. Mit einem Interview mit Peter Ullrich. Edition Assemblage. 96 S., br., 9,80 €.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal