Paradies für Radfahrer
Berlin rettet den Ruf des ganzen Landes
Wenn die Bilder, die in den letzten Wochen aus den krisengeschüttelten Ländern des europäischen Südens zu sehen sind, nicht lügen, dann ist es um den internationalen Ruf der Deutschen derzeit nicht gut bestellt. Zum Glück für Deutschland aber gibt es noch Berlin, auch wenn die Bayern und die CSU das nicht gerne hören werden. Berlin rettet Deutschlands Ruf. Londons Bürgermeister Boris Johnson war kürzlich in Berlin und ihm muss es hier ausgesprochen gut gefallen haben. So gut, dass er am 21. Juli in einem Gastbeitrag für den britischen »Telegraph« zu einer regelrechten Liebeserklärung an die Stadt anhob.
Der konservative Politiker schwärmt darin von den großzügig eingeschenkten Bierhumpen, dem guten und günstigen Essen, der hervorragenden Wasserqualität des Wannsees (»delicious fresh water«), den freundlichen, braungebrannten Rentnern, von Mädchen, die Picknickkörbe voll Erdbeeren kreisen lassen. Vor allem aber hat es ihm die Friedfertigkeit der deutschen Hauptstadt angetan. Das Berlin, das seine beiden Großväter noch kannten und vor dem sich deren Generation auch nach dem Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg weiter fürchteten, gebe es nicht mehr; die Sorge seines Großvaters mütterlicherseits, ein vereinigtes Deutschland werde erneut zu einer Gefahr für den Weltfrieden (»Sie taten es 1914, sie taten es 1939 und wenn man ihnen nur die kleinste Chance gibt, werden sie es wieder tun.«) sei unbegründet gewesen.
Die Deutschen bzw. die, die Johnson in Berlin studieren konnte, seien freundliche Wesen. Weit und breit seien keine Militärparaden zu sehen gewesen, die Stadt habe sich vom preußischen Militarismus verabschiedet. Stattdessen hat der Londoner Bürgermeister ein Paradies für Radfahrer erlebt, die auf die Rücksichtnahme selbst der Mercedes-Fahrer zählen könnten.
Ja, es ist wohl war. Mit Fahrrädern lässt sich schwerlich die Welt erobern. Das haben mittlerweile auch die Chinesen erkannt, weshalb dort in den letzten zwei Dekaden die Radstraßen immer weiter zurückgebaut wurden und Autostraßen weichen mussten. Dass in Berlin das Radnetz in den kommenden Jahren erweitert werden soll, ist also ein gutes Zeichen - für die Radfahrer der Stadt und für den Rest der Welt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.