Tokio will Tepco Verantwortung entziehen

Japan bittet Ausland um Hilfe / Russland bietet Know-how an

  • Daniel Kestenholz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit dem Atomunglück in Fukushima versichern AKW-Betreiber Tepco und die japanische Regierung, die radioaktive Verseuchung der Umwelt und Versiegelung der Anlagen im Griff zu haben. Stattdessen mehren sich Hinweise, dass Japan überfordert ist.

Der japanische Industrieminister warf Tepco diese Woche vor, die Bemühungen, die Probleme in den Griff zu bekommen, glichen einem Blinde-Kuh-Spiel. »Die von Tepco angeführten Gegenmaßnahmen, um die Lecks von verseuchtem Wasser zu stoppen, sind wie ein ›Whack-a-mole‹-Arcade-Spiel«, so Industrieminister Toshimitsu Motegi. »Whack-a-mole« war eines der ersten Computerspiele, bei dem es darum ging, mit einem Knüppel auf Maulwürfe einzuschlagen.

Die Zeit sei gekommen, sagte der Minister, dass die Regierung einschreitet und die Sicherungsarbeiten übernimmt. Unter wachsendem Druck hat Tepco-Präsident Natomi Hirose vergangene Woche die Absicht bestätigt, ausländische Experten einzubringen. Bislang lehnte Japan Hilfe von außen ab, wohl auch aus Angst vor Gesichtsverlust, nicht selber Herr über die eigenverschuldete Krise zu werden.

Unterdessen hat Russland ein vor zwei Jahren gemachtes Hilfsangebot erneuert. Der japanische Außenminister Fumio Kishida besuchte am Sonntag Tschernobyl und sprach im Anschluss von Russlands Bereitschaft, Japan bei der Bewältigung der radioaktiven Verseuchung mit seinem Know-how zu helfen. Laut Wladimir Asmolow vom staatlichen russischen AKW-Betreiber Rosenergoatom gebe es in der »globalisierten Nuklearindustrie keine nationalen Unfälle, nur internationale«. Man habe sich jetzt bei Gesprächen mit Tepco geeinigt. Russland sei bereit, Japan zu helfen. Seit den Kernschmelzen in den Meilern von Fukushima Daiichi nach dem Tsunami im März 2011 hat es Tepco zwar geschafft, die Anlagen zu stabilisieren und einen größeren Austritt von Radioaktivität zu verhindern. Doch wie sich unlängst herausstellte, sollen kürzlich 300 Tonnen verseuchtes Kühlwasser aus havarierten Speichertanks ausgetreten und ins Meer abgesickert sein. Japan stuft den Zwischenfall auf Stufe drei der bis sieben reichenden internationalen Skala für Atomunfälle INES (International Nuclear Event Scale) ein. Die japanische Bevölkerung scheint überzeugt, dass dieses Problem nur die Spitze eines Eisbergs ist, den Tepco zu beschönigen versucht. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) wirft der japanischen Atomaufsicht vor, mit Angaben zu den jüngsten Ereignissen Verwirrung zu stiften.

Doch jetzt scheint auch die Regierung von Premier Shinzo Abe die Geduld mit dem AKW-Betreiber zu verlieren, der von Problem zu Problem eilt, ohne eine Langzeitlösung dafür gefunden zu haben, wie die immer größere Menge von verseuchtem Kühlwasser zu speichern und das Wasser später zu entgiften sei.

»Von nun an wird die Regierung mitreden«, sagte Industrieminister Motegi. Damit bekräftigte er Premier Abe, der diesen Monat sagte, dass die Wasserverseuchung ein Problem sei, für das »Tepco nicht länger die volle Verantwortung übernehmen kann«. Das Problem gehöre »auf nationaler Ebene« angepackt, so Abe, der das Industrieministerium anwies, »mehrfache, schnelle und sichere Lösungen« auszuarbeiten.

Im Gespräch ist offenbar selbst das Einfrieren des Bodens rund um die Anlagen, um das Absickern von Wasser zu verhindern.

Tepco hat bislang mehr als 1000 Speichertanks gebaut, die derzeit 330 000 Tonnen verseuchtes Wasser fassen und zu 93 Prozent bereits voll sind.

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