Der Spion in der Tiefe

Auf Sylt anlandende Unterseekabel wurden vom Geheimdienst angezapft

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.
Der britische Geheimdienst GCHQ ist nach Medienberichten wesentlich stärker an der Überwachung des europäischen Internetverkehrs beteiligt, als bisher vermutet. Auch drei von der Telekom genutzte Glasfaserkabel sollen angezapft worden sein.

Bewohner der Nordseeinsel Sylt ahnten sicher nicht, welche Rolle ihr Eiland bei der Überwachung europäischer Bürger durch amerikanische und britische Geheimdienste spielt. Die Düneninsel ist Anlandepunkt für zwei transatlantische Unterseekabel, die der Datenübertragung zwischen den USA und Europa dienen. Wenige hundert Kilometer südwestlich landet zudem ein Seekabel in der ostfriesischen Stadt Norden an.

Nun berichten der Norddeutsche Rundfunk und die »Süddeutsche Zeitung«, dass der britische Geheimdienst GCHQ große Teile des europäischen Internetverkehrs speichern und analysieren kann, indem er 14 Glasfaserkabel ausspäht, die Europa nicht nur mit anderen Kontinenten verbinden, sondern auch dem innereuropäischen Datenverkehr dienen.

Die Informationen stammen aus Dokumenten des Whistleblowers Edward Snowden, die der NDR und die »Süddeutsche Zeitung« einsehen konnten. Ähnliche Erkenntnisse musste die britische Zeitung Guardian kürzlich auf Druck der britischen Regierung vernichten, wenngleich das Blatt erklärte, Kopien der Unterlagen sicher im Ausland zu verwahren.

Internetnutzer in Deutschland sind besonders von der Überwachung durch die Briten betroffen: Allein drei Kabel nutzt die Deutsche Telekom, in zwei Fällen ist sie Mitbetreiberin der Leitungen. In einer schriftlichen Mitteilung erklärte das Unternehmen, man gewähre »ausländischen Diensten keinen Zugriff auf Daten und Netze in Deutschland«. Erkenntnisse zu Spionageprogrammen der Briten habe die Telekom nicht, zumal die Unterseekabel von mehreren europäischen Firmenkonsortium betrieben werden, deren Teilhaber wiederum dem jeweiligen Landesrecht unterworfen sind.

Insofern ist es für den GCHQ leichter, sich auf heimische Telekommunikationsanbieter wie Vodafone, Verizon und British Telecom zu konzentrieren, die laut britischen Gesetz nicht über eine Zusammenarbeit reden dürfen. Neu ist die Vermutung nicht: Schon Anfang August wurden Dokumente öffentlich, wonach britische Internetanbieter mit dem Geheimdienst kooperieren sollen.

Aufgrund der Enthüllungen wurde für Dienstag eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums einberufen. »Die Bundesregierung wird der Aufklärung nicht länger ausweichen können«, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Thomas Oppermann (SPD) gegenüber der dpa. Ähnlich äußerte sich der LINKEN-Politiker Jan Korte, der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aufforderte, endlich zu erklären, wie sie gegen die »Totalüberwachung der Kommunikation angehen will«.

Sylt scheint den Geheimdiensten schon länger wichtig. So hieß es in einem 2010 durch Wikileaks veröffentlichen Dokument von US-Diplomaten, die beiden Sylter Unterseekabel seien für die nationale Sicherheit der USA von Bedeutung.

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