Syrien braucht Frieden

Chefredakteur Tom Strohschneider zu den Vorbereitungen eines Militärschlags gegen Syrien

  • Lesedauer: 3 Min.

Erneut steht ein Weltfriedenstag im Zeichen eines Krieges. Wieder einmal wird die Forderung nach Schweigen der Waffen im Angesicht der Bilder zahlloser Toter erhoben; wieder einmal macht ein drohender Militärschlag den Ruf nach Frieden besonders dringlich. Und abermals wird, wenn am Sonntag Tausende auf die Straße gehen, die demoskopische der realen Bewegung für ein Ende des Mordens und gegen eine weitere Zuspitzung der Lage in Syrien zahlenmäßig überlegen sein: Es erklären in Umfragen weit mehr, gegen einen Militärschlag zu sein, als bereit sind, das auch öffentlich zu demonstrieren.

Was da in Umfragen zum Ausdruck kommt, eine breite Ablehnung eines Militärschlags des Westens oder zumindest der deutschen Beteiligung daran, zeigt nicht nur, dass große Teile der Gesellschaft parteiübergreifend gegen eine Intervention in Syrien sind (auch wenn sie sich an keiner Antikriegsaktion beteiligen würden). Die Zahlen lassen auch erkennen, dass es selbst im linken Lager viele Menschen gibt, die angesichts der mörderischen Realität in Syrien ein Eingreifen für nötig halten.

»Kein Krieg in Syrien«, hieß es in den vergangenen Tagen bereits auf Protestplakaten. So richtig die Forderung ist, so unübersehbar ist aber, dass in Syrien schon seit mehr als zwei Jahren Krieg tobt. Und so wenig dagegen spricht, dennoch und immer wieder gegen neue militärische Schritte von wem auch immer einzutreten, so viel spricht dafür, auch dem Zweifel Raum zu geben, mit dem jeder Appell gegen eine Intervention konfrontiert ist: Muss aber nicht doch – und wenn ja: was? – gegen das Morden getan werden?

Mehr als 100 000 Menschen sind nach UN-Angaben bereits getötet wurden, der Konflikt zwischen Regierungstruppen und Teilen der Assad-Gegner, überhaupt der Bürgerkrieg, in dem die Fronten aus der Ferne schwer überschaubar sind, hat Millionen Syrer in die Flucht getrieben – die größte Vertreibung seit dem Völkermord in Ruanda vor 20 Jahren. Und täglich geht das Morden weiter.

Die Bilanz des Schreckens wird durch einfache Erklärungen nicht erträglicher. Auch die begründetste Kritik an Machthaber Assad und am Vorgehen der syrischen Armee vermag nicht die geostrategischen und regionalpolitischen Motive der Beteiligten zu erklären, die in diesem Konflikt verschmolzen sind; auch die treffendste Missbilligung der sogenannten Rebellen kann verkennen, dass die syrische Opposition keineswegs nur aus kriegsstrotzenden Freischärlern besteht, die von islamistischen Regimen oder dem von seinen Interessen geleiteten Westen unterstützt werden.

Hat die Linke, hat die Friedensbewegung sich in der Vergangenheit ausreichend mit denen solidarisiert, die für einen friedlichen, demokratischen Wandel in Syrien eintreten? Ist alles Mögliche von uns getan worden gegen einen Krieg, der nicht erst damit beginnt, dass der Westen seine Waffen selbst sprechen lässt?

Nicht nur das Nein zu einem Militärschlag des Westens muss am Sonntag auf die Straße getragen werden. Sondern auch ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Syrien: mit Kindern, Frauen, religiösen Gruppen, mit all jenen, die weder Assad eine Loyalität schuldig sind, noch eine bessere Zukunft hätten, wenn sich aus dem Ausland finanzierte bewaffnete Gruppen durchsetzten; Solidarität mit denen, die im März 2011 den Mut hatten, gegen die Regierung in Damaskus zu opponieren, um für ihre Rechte, für Reformen, für soziale Verbesserung zu protestieren.

Gerade auch in diesen Tagen sollte daran erinnert werden: Am Anfang standen friedliche Massenproteste gegen die Verhaftung von Kindern in der südsyrischen Stadt Dar’a, die Assad-kritische Parolen an Hauswände geschrieben hatten, um den »Arabischen Frühling« nach Syrien zu tragen. Es ist dieser Kampf, der einen Frieden braucht, den der Westen mit militärischen Mitteln niemals erzwingen kann.

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