Snowdens E-Mails: Verschlüsselt bis in den Tod

US-Gerichtsakten zeigen, wie sich ein kleiner E-Mail-Provider dem FBI entgegenstellte

  • Fabian Köhler
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein E-Mail-Anbieter soll Zugriff auf die Daten seiner Kunden gewähren: Am Mittwoch veröffentlichte US-Gerichtsakten bieten Einblick in die Jagd des FBI auf Whistleblower. Und sie erzählen die Geschichte eines Providers, der die Privatsphäre seiner Kunden bis zum eigenen Untergang verteidigte.

Es war ein Durchsuchungsbeschluss, wie ihn das FBI wahrscheinlich tausendfach jährlich aushändigt. Die Herausgabe des Schlüssels, mit dem die Kommunikation zwischen dem kleinen amerikanischen E-Mail-Anbieter Lavabit und seinen Kunden verschlüsselt wird, forderte die US-Behörde am 16. Juli dieses Jahres. Wie dutzende andere Anbieter hatte sich Lavabit seit Jahren auf verschlüsselbare und damit abhörsichere E-Mails spezialisiert. Was ihn besonders machte: Auch Ex-Geheimdienstler und Whistleblower Edward Snowden hatte die Dienste des E-Mail-Anbieters für die Kommunikation mit Journalisten entdeckt.

Ein US-Berufungsgericht veröffentlichte am Mittwoch die Akten, die zeigen, wie selbstverständlich US-Behörden die Herausgabe scheinbar sicher verschlüsselter Daten verlangen können. Die Dokumente zeigen aber auch, mit welcher Vehemenz ein kleiner E-Mail-Provider letzlich erfolgreich die Privatsphäre seiner Kunden gegen die größte Polizeibehörde der Welt verteidigte.

Zwei Wochen später stand das FBI vor der Tür

Aus den Dokumenten geht hervor, dass das FBI Lavabit bereits am 28. Juni - also kaum zwei Wochen nachdem Edward Snowden die ersten seiner Geheimdokumente publik machte – anwies, die Namen sämtlicher Absender und Adressaten seiner Emails, sowie deren IP-Adressen zu übermitteln. Die Akten sprechen dazu von der Gewährung jeglicher »technischer notwendigen Unterstützung...«.

Doch die Betreiber von Lavabit weigerten sich, obwohl sie zu dem Zeitpunkt wohl selbst noch nicht wissen konnten, welche brisanten Inhalten in einem ihrer E-Mail-Postfächer lagen. Den Gerichtsakten zufolge war das Ziel der Ermittlungen die Überwachung eines bestimmten Lavabit-Benutzers. Dessen Name ist zwar geschwärzt, doch die Auflistung der Straftaten, derer die Person beschuldigt wird, lässt ahnen, um welchen berühmten Ex-Geheimdienstler es sich handelt. Neben Spionage wird ihm der Diebstahl von Regierungseigentum vorgeworfen – genau jene Anschuldigungen, die US-Behörden auch gegen Edward Snowden erheben.

Auch nach den nächsten Aufforderungen verweigerte Lavabit die Zusammenarbeit. In den Dokumenten liest man: »Die Vertreter von Lavabit deuteten an, die technischen Möglichkeiten zu besitzen, um die Informationen zu entschlüsseln. Aber Lavabit wollte nicht sein eigenes System auszuhebeln.« Als die Betreiber von Lavabit trotz Haftandrohung am 9. Juli immer noch nicht nachgaben, beantragte die Staatsanwaltschaft Beuegehaft für den Gründer von Lavabit, Ladar Levison, um »seinen Ungehorsam und Widerstand« zu brechen.

Verschlüsselt bis in den Tod

Eine Woche später folgte schließlich der Durchsuchungsbeschluss, der die Herausgabe »aller notwendigen Informationen zur Entschlüsselung der Kommunikation von Lavabit E-Mail-Accounts« anordnete. Doch die Betreiber von Lavabit kämpften weiter. Am 1. August, so verraten die Dokumente, zog Levison vor Gericht. »Uns geht es nicht nur um die Zielperson dieser Ermittlungen. Wir reden von 400.000 Personen, die Lavabit nutzen weil sie glauben, dass ihre Kommunikation sicher ist«, wurden die Worte des Anwaltes des Unternehmens protokolliert.

Nachdem das Gericht Levison erneut zur Herausgabe der Schlüssel aufforderte, kam dieser der Anforderung am folgenden Tag schließlich nach. Allerdings nicht auf jene Weise, die sich Staatsanwaltschaft und Gericht vorgestellt hatten: Anstatt den Schlüssel digital bereit zustellen, überreichte Levison dem Gericht einen elfseitigen Ausdruck auf dem die 2.560 Zeichen in Schriftgröße 4 unlesbar aneinandergereiht waren. Als er drei Tage später immer noch keine brauchbare digitale Kopie des Schlüssels vorgelegt hatte, ordnete das Gericht schließlich eine tägliche Geldstrafe von 5000 US-Dollar an.

»Ich wurde zu einer schwierigen Entscheidung gezwungen«, schrieb Levison tags darauf . »[Entweder] ich mache mich mitschuldig bei Verbrechen gegen das amerikanische Volk oder ich ziehe mich zurück aus fast zehn Jahren harter Arbeit.« Die Zeilen auf der Website des E-Mail-Anbieters waren Lavabits letztes Lebenszeichen. Um seine Kunden vor dem FBI zu schützen, schloss Levison sein Unternehmen am 8. August und löschte die Daten aller 400.000 User – mit ihnen auch die Passwörter zur Entschlüsselung von Snowdens E-Mails.

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