Grüne wählen neue Fraktionsspitze

Göring-Eckardt oder Andreae? / CSU-General Dobrindt beklagt Trittins Teilnahme an Sondierungsgesprächen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin (Agenturen/nd). Die Grünen entscheiden an diesem Dienstag über die Nachfolger von Renate Künast und Jürgen Trittin an der Fraktionsspitze im Bundestag. Bei einem Treffen der Abgeordneten des Realo-Flügels am Montagabend bekräftigten sowohl die Spitzenkandidatin des Wahlkampfs, Katrin Göring-Eckardt, als auch die Wirtschaftsexpertin Kerstin Andreae ihre Kandidatur, wie Teilnehmer der Deutschen Presse-Agentur übereinstimmend berichteten. Die rund 30 Teilnehmer des Realo-Treffens verzichteten auf eine zuvor erwogene Probeabstimmung.

Das Duo an der Fraktionsspitze muss laut den Regeln der Grünen mit einer oder zwei Frauen besetzt sein. Insofern könnten auch Göring-Eckardt und Andreae die Fraktion gemeinsam anführen. Aber den ungeschriebenen Gesetzen der Grünen zufolge sollen Parteirealos und -linke vertreten sein. Als Kandidat der Parteilinken für die Doppelspitze ist der Verkehrspolitiker Anton Hofreiter gesetzt. Die Grünen erhoffen sich nach ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl von der personellen Neuaufstellung eine gute Basis, um in den kommenden Jahren wieder Boden beim Wähler gut zu machen.

Der neue Abgeordnete Dieter Janecek, Vorsitzender der bayerischen Grünen, sagte: »Ich wünsche mir eine Fraktionsspitze, die für eine neue Streitkultur steht und für eine Politik wirbt, mit der wir wieder bündnisfähiger in der Mitte der Gesellschaft werden.« Ökologische Modernisierung sei grünes Megathema.

Namhafte Vertreter der Realos hatten vergeblich auf eine klare Absprache innerhalb des Flügels gepocht. Ihr Argument: Die Konkurrenz zwischen Göring-Eckardt und Andreae könnte die Realos gegenüber den Parteilinken schwächen - ausgerechnet in dem Moment, in dem diese wegen des wenig erfolgreichen linken Wahlkampfkurses in Bedrängnis geraten sind.

Während Andreae als wirtschaftsfreundlich gilt und etwa von regierenden Grünen in Baden-Württemberg unterstützt wird, hat sich Göring-Eckardt auch mit sozialen Forderungen positioniert und manche Realos enttäuscht. Allerdings steht Göring-Eckardt für Kontinuität. Zu rot-grünen Regierungszeiten war sie bereits Fraktionschefin. Andreae ist eher ein Gesicht für einen Neuanfang, dies gilt aber auch bereits für den designierten Fraktionschef Hofreiter.

Die neue Fraktionsspitze soll Teil der Sondierungsgruppe für die Gespräche mit der Union über eine mögliche Koalition an diesem Donnerstag sein. Andreae sendete in der »Passauer Neuen Presse« Kompromisssignale: »Steuererhöhungen sind kein Selbstzweck.« Man müsse sich auf konkrete Projekte einigen, die man finanzieren wolle. »Schwarz-Grün wird davon abhängen, ob wir bei dem ungleichen Kräfteverhältnis zwischen Union und Grünen genug grüne Inhalte reinverhandeln können und wie viele Kröten wir schlucken müssten.« Sie warnte, Schwarz-Rot wäre eine 83-Prozent-Koalition im Bundestag.

Göring-Eckardt hatte bei den Realos mit der Ankündigung ihrer Kandidatur in der Woche nach der Bundestagswahl vor der gesamten Fraktion manche vor den Kopf gestoßen. Denn auch Andreaes Ambitionen waren zu dem Zeitpunkt bereits bekannt. Eine interne Absprache, die als Zeichen der Geschlossenheit des Parteiflügels gewertet werden könnte, war nun aber nicht mehr greifbar. Andreae zog dann nach.

Kurz vor der Sondierungsrunde mit den Grünen hat CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt die Teilnahme von deren Wahlkampf-Spitzenkandidat Trittin an den Gesprächen kritisiert. »Dass die Grünen den größten Wahlverlierer Jürgen Trittin mit in die Verhandlungen nehmen, deutet darauf hin, dass sie das Wählervotum nicht ganz verstanden haben«, sagte Dobrindt der Zeitung »Bild«. »Trittin ist ein Mann von gestern, der für die politische Zukunft keine Rolle mehr spielt.«

CDU und CSU wollen am Donnerstag mit den Grünen Gespräche über eine mögliche Koalition führen. Für Dobrindt haben die Verhandlungen mit der SPD aber Vorrang. »Wir reden lieber mit der SPD, weil wir uns da nicht über Veggie-Days und andere Bevormundungen unterhalten müssen.« Allerdings müsse die SPD sich noch deutlich bewegen, sagte Dobrindt der Zeitung.

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