Nobelpreis für Giftgas-Vernichter

Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen steht jetzt in Syrien vor einer neuen Bewährungsprobe

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 3 Min.
Erneut geht der Friedensnobelpreis an eine internationale Institution, die Organisation zum Verbot von C-Waffen. Damit will das Komitee die Zerstörung der Massenvernichtungsmittel fördern.

Die Organization for the Prohibition of Chemical Weapons - OPCW ist eine autonome internationale Organisation, die durch besondere vertragliche Beziehungen den Vereinten Nationen angeschlossen ist und ihren Sitz in Den Haag hat. Sie nahm am 29. April 1997 ihre Arbeit auf und überwacht die Einhaltung und Umsetzung der Chemiewaffenkonvention. Unter der Leitung von Ahmet Üzümcü (Türkei) arbeiten im eigens für die OPCW erbauten gläsernen Rundbau in der Johan de Wittlaan über 500 Mitarbeiter aus 76 Ländern. Finanziert wird die Organisation durch Mitgliedsbeiträge, die an den üblichen Verteilungsschlüssel der Vereinten Nationen angelehnt sind. Damit sind die USA mit 22 Prozent der größte Geldgeber. Das jährliche Gesamtbudget beträgt knapp 72 Millionen Euro.

Der C-Waffen-Konvention und damit der OPCW gehören heute 189 Staaten an. Syrien soll am Montag 190. Mitglied werden. Nicht beigetreten sind Angola, Ägypten, Nordkorea, der Südsudan und Somalia. Zwei weitere Länder - Israel und Myanmar - haben die Konvention unterzeichnet, aber nicht ratifiziert.

Größter Nutzen für die Menschheit

Seit 1901 wird alljährlich auch ein Friedensnobelpreis verliehen. Grundlage ist das Testament des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Nach dem Willen des schwedischen Industriellen und Dynamit-Erfinders soll geehrt werden, wer »am meisten oder am besten für die Verbrüderung der Völker und für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen hingewirkt« und so »im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht« hat. Mit dem Preis an bis zu drei Einzelpersonen oder Organisationen wird seit 1960 zudem der Einsatz für Menschenrechte und seit 2004 für die Umwelt ausgezeichnet.

Während die anderen Nobelpreise in der schwedischen Metropole Stockholm vergeben werden, verleiht man die Friedensauszeichnung in der norwegischen Hauptstadt. Zuständig ist ein vom dortigen Parlament bestimmtes fünfköpfiges Komitee entsprechend der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse im Storting. Es wird für sechs Jahre ernannt. Aktueller Vorsitzender ist der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Thorbjörn Jagland.

Die Preisträger werden jedes Jahr im Oktober bekannt gegeben. Bei der feierlichen Verleihung am 10. Dezember, dem Todestag Nobels, erhalten sie im Rathaus von Oslo eine Medaille, eine Urkunde und ein Preisgeld von acht Millionen schwedischen Kronen (rund 915 000 Euro). Erste Preisträger waren der Gründer des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Henry Dunant, und der Gründer der französischen Friedensgesellschaft Société d’arbitrage entre les Nations, Frédéric Passy. 1905 wurde mit der österreicherischen Pazifistin und Schriftstellerin Bertha von Suttner erstmals eine Frau ausgezeichnet. Zuletzt ging der Preis 2012 an die Europäische Union - eine ebenso umstrittene Entscheidung wie drei Jahre zuvor die Ehrung für USA-Präsident Barack Obama.

Olaf Standke

 

Verboten sind sowohl die Anwendung von Giftgasen als auch die Herstellung und der Besitz; vorhandene Bestände müssen vernichtet werden. Das ist mit rund 58 200 der ursprünglich über 72 000 Tonnen chemischer Waffen geschehen. Eigentlich aber hätte diese Aufgabe bereits nach zehn Jahren und mit Fristenverlängerung spätestens im Vorjahr erfüllt sein müssen. Nach jüngsten Angaben sollen nun bis 2017 99 Prozent beseitigt sein; doch wird es noch bis mindestens 2023 dauern, bevor die USA ihre letzten Bestände vernichtet haben werden.

Zurzeit arbeiten OPCW-Kontrolleure bei der Vernichtung der Chemiewaffen in Syrien mit und haben mit der Prüfung von 20 Standorten begonnen; erste Waffensysteme wurden bereits zerstört. Die syrische Regierung hat innerhalb der gesetzten Frist eine Aufstellung ihrer Giftgas-Bestände vorgelegt, darunter sollen Sarin, Senfgas und das Nervengas VX sein. Die Angaben werden jetzt geprüft. Auf Beschluss des UN-Sicherheitsrates sollen die auf rund tausend Tonnen geschätzten Kampfstoffe sowie ihre Ausgangsprodukte, Produktionsanlagen, Lagerstätten und Trägermittel bis Mitte nächsten Jahres vernichtet sein. Seit Beginn des bewaffneten Konflikts in Syrien sind mehr als ein Dutzend konkrete Giftgas-Verdachtsfälle bekannt geworden, aber wem sie anzulasten sind, konnte bisher nicht eindeutig bewiesen werden. »Aktuelle Ereignisse in Syrien, wo Chemiewaffen erneut genutzt wurden, haben das Bedürfnis unterstrichen, die Bemühungen zu verstärken, solche Waffen zu zerstören«, begründet das Nobelkomitee seine Entscheidung.

Laut Vertrag sind die Ratifizierungsstaaten verpflichtet, jährliche Berichte über die Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention zu erstellen. Das Kontrollregime besteht aus unabhängigen Inspektoren, die zu unangemeldeten Besuchen in Militäranlagen, zivilen Industriebetrieben und Laboratorien befugt sind und die Vernichtung von Chemiewaffen überwachen. Gegenwärtig befindet sich die Organisation auf der Suche nach einer langfristigen strategischen Orientierung. Bisher gibt es aber noch keine Übereinstimmung zur künftigen Profilierung nach Beendigung der chemischen Abrüstung. Während die Industriestaaten das Schwergewicht auf Kontrolle und Nichtverbreitung setzen, fordern die Entwicklungsländer mehr Kooperation in der friedlichen Chemieindustrie.

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