Klimawandel heißt Wassermangel

Dieter Gerten (Potsdam-Institut) über die Folgen für Menschen und Ökosysteme

  • Lesedauer: 3 Min.
Eine kürzlich erschienene Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt, dass die Ausmaße des Klimawandels viel stärker sein könnten als bislang angenommen. In Zukunft wird vielleicht ein Drittel der Menschheit an Wassermangel leiden. Mit dem Leiter der Studie, PIK-Forscher Dieter Gerten, sprach Anja Laabs.

nd: Wassermangel ist schon jetzt für mehr als eine Milliarde Menschen tägliche Realität. Nach den neuesten Forschungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung droht noch Schlimmeres. Was könnte die Lage zukünftig verschärfen?
Gerten: Wir sind für unsere Untersuchung von verschiedenen Klimaszenarios ausgegangen, um zu sehen, was passiert, wenn die Emissionen bleiben, wie sie sind, oder wenn etwas gegen den Klimawandel unternommen wird. Dabei zeigte sich, dass bei einem Temperaturanstieg um zwei Grad Celsius eine halbe Milliarde Menschen mehr von Wassermangel betroffen sein werden. Möglich ist aber, dass es nicht bei diesen zwei Grad bleiben wird.

Wenn sich die Länder an die bislang gegebenen Versprechen zur Vermeidung der globalen Klimaerwärmung durch Reduktion der Emissionen halten würden - womit wäre dann zu rechnen?
Würden diese Versprechen gehalten werden, wovon wir bislang nicht ausgehen, ist sogar mit einer Temperaturerhöhung von mehr als drei Grad Celsius zu rechnen. Dann beträfe der Wassermangel laut unserer Studie 700 Millionen Menschen mehr. Insgesamt wären das dann zwei Milliarden Menschen, die in Regionen mit Wassermangel leben müssten.

Welche Regionen sind das?
Vor allem der Mittlere und Nahe Osten sowie der Mittelmeerraum. Änderungen gäbe es auch in anderen Regionen mit sehr komplexen und empfindlichen Ökosystemen. Dazu gehören die Steppen im tibetischen Hochland, die Wälder Nord-Kanadas und Sibiriens, die Savannen Äthiopiens und Somalias und auch der Amazonas-Regenwald. Der Klimawandel betrifft auf der einen Seite die Menschen, auf der anderen aber auch die Ökosysteme.

Was sind die Ursachen für die zu erwartende Wasserknappheit, welche Rolle spielen die Ökosystemei?
Unsere Studie hat nur das verfügbare Wasser pro Person aus Flüssen, Seen, Grundwasser und Talsperren berücksichtigt - aber nicht, wie viel Regenwasser Landschaften, also Land-Ökosysteme, direkt aufnehmen. Das ist aber nicht unwesentlich. Denn der größte Teil der Landwirtschaft wird heute noch ohne künstliche Bewässerung betrieben. Wasserverfügbarkeit und Ökosysteme bedingen sich gegenseitig. Ein intaktes Ökosystem kann Wasser aufnehmen, halten und geregelt abgeben. Werden Ökosysteme zerstört, verändern sich auch die Wasserkreisläufe.

Nicht nur der Klimawandel erhöht den Druck auf die Wasserressourcen der Erde ...
Klimawandel und der Wassermangel sind Folge des Bevölkerungswachstums. Damit einher gehen auch durch Landnutzung verursachte Probleme wie die Bodendegradation (Verschlechterung der Bodenqualität). Möglicherweise wird der Wassermangel letztlich das Bevölkerungswachstum begrenzen. Bis dahin wird das Überleben vieler Menschen auch von einem größeren globalen Handelsvolumen abhängen. Schon jetzt müssen Staaten in trockenen Regionen viele Lebensmittel importieren. Doch auch die Landwirtschaft muss regionalen Gegebenheiten angepasst werden. So ist Deutschland, auf die Zahl der Einwohner gerechnet, ein Wassermangelland. Dennoch werden hier zunehmend Pflanzen angebaut, die der Energiegewinnung dienen. Wir wissen aber, dass diese Pflanzen oft viel Wasser brauchen. Hier sind kritische und umfassende Wasserbilanzrechnungen nötig.

Die Studie »Asynchronous exposure to global warming: freshwater resources and terrestrial ecosystems« findet sich im Internet unter: iopscience.iop.org/ 1748-9326/8/3/034032/article

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