Immer auf Sendung

Gewerkschaft fordert Anti-Stress-Verordnung für Arbeitnehmer und Strafen für uneinsichtige Firmen

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 2 Min.
Sanktionen für Arbeitgeber, die Mitarbeiter nicht vor Stress schützen, fordert der DGB. Er reagiert auf Zahlen der Techniker Krankenkasse, die immer mehr Menschen unter Druck sehen.

Mit dem Stress ist es so eine Sache. Ein bisschen davon braucht der Mensch, um leistungsfähig und kreativ zu sein. Wissenschaftler nennen diesen positiven »Druck« Eustress. Er setzt Adrenalin frei und bereitet den Körper darauf vor, Anstrengungen zu bewältigen, etwa zu fliehen, zu kämpfen oder endlich die Abschlussarbeit fertig zu schreiben.

In die Medizin wurde der Begriff erst in den 50er Jahren übertragen. Schnell stellte sich heraus, dass diese lebenserhaltende Funktion des menschlichen Körpers auch ein zerstörerisches Potenzial enthielt, wenn Stressphasen andauerten, der Betreffende quasi »immer auf Sendung war« und keine Chance zur Entspannung bekam. Das nennt man dann Distress, der zu Herz-Kreislauf-Problemen, Magenkrankheiten oder Depressionen führen kann. Jüngsten Erhebungen der Techniker Krankenkasse zufolge, die auch regelmäßig die psychischen Probleme ihrer Versicherten untersucht und von Jahr zu Jahr ein wachsendes Ausmaß feststellen muss, sind sechs von zehn Deutschen regelmäßig im Stress. Jeder Fünfte stehe dauerhaft unter Druck, und besonders aufgerieben fühlen sich die 35- bis 45-Jährigen, weil bei ihnen vieles zusammenkommt: Job, Familie kleine Kinder und die beginnende Pflege der Eltern.

Bei der Hälfte der Bevölkerung herrscht laut Studie das Gefühl vor, dass das Leben in den vergangenen drei Jahren stressiger geworden ist. Zwei Drittel glauben, dass der Stress heute größer ist als vor 15 bis 20 Jahren, nur ein Drittel findet, dass heute einfach mehr über Stress gesprochen wird. Beim Umgang mit Stress gilt der Umfrage zufolge unter knapp 60 Prozent der Befragten der Grundsatz »Augen zu und durch«. 17 Prozent versuchen Stress zu vermeiden und weitere 17 Prozent gehören zu den »Loslegern«, die unter Stress erst zur Höchstform auflaufen. An letztere dachte vermutlich die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, als sie angesichts der Studie behauptete, Arbeit habe in aller Regel einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Dies allerdings dürfte nur gelten, wenn Überstunden nicht die Regel wären und Kindergärten nicht Mangelware, wenn die Pflege der Älteren von der Gesellschaft honoriert würde und Hungerlöhne ein seltenes Relikt aus urkapitalistischen Zeiten wären - also momentan in einer übersichtlichen Zahl von Beschäftigungsverhältnissen.

»Der Arbeitsstress hat ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen«, findet Annelie Buntenbach, Vizevorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes. »Deshalb brauchen wir klare Regeln wie eine Anti-Stress-Verordnung, mehr Mitbestimmung für Betriebs- und Personalräte sowie Beschäftigte und auch mehr Sanktionen für die Arbeitgeber, die sich nicht an Recht und Gesetz halten.« Unterstützt wird die Forderung von der Linksfraktion im Bundestag: »Arbeit darf nicht krank machen«, sagt Jutta Krellmann.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal