Bleifrei schießen an der Müritz

Behält der Jagdleiter trotz Skandals seinen Jagdschein?

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.

Exakt 215 Rot- und 1099 Damhirschen, 660 Rehen und 335 Wildschweinen soll es in diesem Herbst ans Leder gehen im Müritz-Nationalpark in Mecklenburg-Vorpommern. Das sei nötig, um den »natürlichen Baumaufwuchs im Wald« zu ermöglichen, hieß es zum Auftakt der Jagdsaison aus dem zuständigen Haus von Agrar- und Umweltminister Till Backhaus (SPD).

Gerade, weil es sich um einen Nationalpark handelt, soll das große Schießen an der Müritz möglichst konzentriert stattfinden: Bis Ende Januar 2014 sollen die Jagden im Nationalpark vorüber sein; es soll nur wenige Termine mit bis zu 50 Teilnehmern geben. Die »Gesellschaftsjagd« habe weiterhin Vorrang vor der Einzeljagd. 16 Jagden soll es im November und Dezember geben, 15 davon seien bereits ausgebucht, erklärte Backhaus Mitte Oktober dem NDR. Geschossen wird nur mit bleifreier Munition.

Was noch immer nach großem Halali klingt, ist tatsächlich ein im Vergleich zum Vorjahr eingedampftes Programm. Bis zu 160 Jägerinnen und Jäger hatten Ende 2012 in dem 310 Quadratkilometer messenden Schutzgebiet an einzelnen »Drückjagden« teilgenommen, dabei wurden offenbar viel zu viele Tiere geschossen - die Rede ist zum Beispiel von 220 statt 160 Stück Damwild.

Außerdem hieß es im März, es seien auch Bachen erlegt worden, obwohl die Wildschweine bereits hätten Frischlinge tragen können. Das wäre ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Dem zuständigen Jagdleiter war von Anwohnern, aber auch aus Jägerkreisen schließlich vorgeworfen worden, es sei nach solchen Großjagden auch nicht ausreichend nach nur angeschossenen und verletzten Tieren gesucht worden. Letzterer Vorwurf sei indes »entkräftet«, berichtete der NDR bereits im März 2013.

Angeschoben worden war der Skandal ausgerechnet von einem Jagdfreundemagazin. Ein Artikel in dem Blatt »Unsere Jagd« hatte einen Berliner Gastjäger mit den Worten zitiert, es habe ein »Gemetzel« gegeben statt einer fachlichen Jagd; Volker Koch vom Kreisjagdverband hatte gar von Methoden nach Art von Hermann Göring gesprochen. Der »Reichsjägermeister« hatte sein Revier allerdings nicht an der Müritz, sondern in der Rominter Heide im ehemaligen Ostpreußen.

Der damals für den Müritz-Nationalpark zuständige Jagdleiter wurde inzwischen an eine andere Stelle versetzt. Am Dienstag berichtete nun der »Nordkurier«, dass das von der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg gegen den Ex-Jagdleiter angestellte Ermittlungsverfahren inzwischen abgeschlossen sei. Demnach sieht es einstweilen nicht so aus, als hätten die Vorgänge strafrechtliche Konsequenzen. Doch soll erst im Dezember entschieden werden, ob das Verfahren eingestellt wird oder es zu einem Strafbefehl kommt. Neben dem staatsanwaltlichen läuft gegen den Mann allerdings auch ein ordnungsrechtliches Verfahren, das zu einem Bußgeld führen kann.

Auch seinen Jagdschein kann der Ex-Jagdleiter vielleicht behalten: Sollte die Staatsanwaltschaft nämlich das Verfahren einstellen, werde dieser nicht entzogen, zitiert die Deutsche Presse-Agentur Rainer Plötz, den Leiter des Ordnungsamts im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Freilich könnte in diesem Fall noch ein drittes, disziplinarrechtliches Verfahren wegen Verstößen als Amtsperson ins Haus stehen. Ein Nachfolger werde derzeit gesucht, ließ das Ministerium ausrichten.

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