Burger Knacke will Konkurrenz im Westen knacken
Ostunternehmen erhöht jetzt die Preise, später vielleicht die Zahl der Beschäftigten Von Andreas Fritsche, Burg
Vor jedem Schichtbegmn lsst Joachim Mettendorf zwei Scheiben Knäckebrot. «Weil es schlank macht», sagt der 57-jährige Produktionsleiter in der Burger Knäckefabrik und schlägt sich lachend auf seinen Bauchansatz. Ob das Burger Knacke wirklich schlank mache, hänge natürlich vom Belag ab, erklärt Mettendorf. Mit «dick Nutella drauf» könne es nichts werden. Butter und Salz müsse genügen.
Das Erfolgsgeheimnis von Knäckebrot und Zwieback aus der Hauptstadt des sachsen-anhaltischen Kreises Jerichower Land ist aber nicht ihre Diät-Wirkung, sondern ihr Geschmack. Der hat ihnen Fans von Kanada bis Australien eingebracht. In 27 Länder der Erde, unter anderem Jordanien und Südkorea, werden immerhin acht Prozent der Jahresproduktion der Burger Knacke AG exportiert. In den neuen Bundesländern haben der Zwieback und die bislang sieben Knäckebrotsorten dem Unternehmen einen Marktanteil von 60 Prozent gesichert.
Doch damit gibt sich Mathias Militzer, im Vorstand der Knäcke-AG für Marketing und Vertrieb zuständig, nicht zufrieden. Langfristig möchte er in Westdeutschland eine ähnliche Marktposition erkämpfen wie im Osten. Das müsse strategisches Ziel sein, auch wenn es wie eine schöne Illusion wirke, meint er. Das hieße, den achtprozentigen Marktanteil dort mehr als zu versiebenfachen und die Vorherrschaft von «Wasa» zu brechen.
Den dafür notwendigen langen Marsch durch die Kaufhaus-Ketten startete die 1931 gegründete Knäckefabrik am Wochenbeginn mit vier neuen Brotsorten: «Burger Dinkel», «Burger Ballaststoff», «Burger Kids» und «Schoko-Burgis». Der Markenname «Burger Knacke» ist dabei auf «Burger» verkürzt worden. Das bringt laut Militzer eine ganze Reihe voh Vorteilen. So könne der Name größer auf die Verpackung gedruckt und als Schlagwort verwendet werden. Außerdem hole die Firma nur eine Entwicklung nach, die sich beim ostdeutschen Kunden längst vollzogen habe: «Burger» sei ein Synonym für Knäckebrot.
Genuss versprechen «Schoko-Burgis», mit Vollmilch- oder Zartbitter Schokolade umhüllte Knäckebrotstückchen. Um Spaß geht es bei «Burger Kids». 100 Gramm von ihnen decken zwar 40 Prozent des täglichen Calzium- und 30 Prozent des täglichen Magnesiumbedarfs eines Heranwachsenden. Geködert werden soll die neue Zielgruppe aber mit beigepackten Sammelbildern der Abrafaxe, den legendären Comic-Helden aus dem «Mosaik». Voll auf den Trend zur gesunden Ernährung bauen «Dinkel» und «Ballaststoff». Das aromatische Dinkel ist eine der ältesten Getreidesorten überhaupt und enthält viel Eiweiß, Mineralstoffe und Vitamine.
Gerade im Bereich gesunde Ernährung sieht Militzer Zukunftschancen für sein Unternehmen auf dem leicht schrumpfpnHpn HRiitsehfin Knärkfihrntmarkt Darauf will der aus Finsterwalde stammende 34-Jährige setzten, der noch im August letzten Jahres in leitender Funktion Hunde- und Katzenfutter verkaufte. Sein Wechsel zum Knacke war nach eigener Darstellung nur ein eher kleinere Karrieresprung, vom verwalteten Umsatzvolumen hör sogar ein Rückschritt. Ihn habe aber die Aufgabe gereizt, ein traditionsreiches Ostunternehmen auf dem Westmarkt zu etablieren. Bisher wird der hauptsächlich von den drei Konkurrenz Werken in Celle, Bremen und Stuttgart beliefert.
115 Mitarbeiter arbeiten derzeit in drei Schichten im Burger Knäckewerk. Viele gehören schon fast zum Inventar. «Ich bin mit dem Werk groß geworden», ist ein Satz, den mehr als einer sagt. Facharbeiter für Dauerbackwaren heißt der Beruf, den sie hier erlernten. Einige qualifizier ten sich später zum Meister oder studier ten Lebensmitteltechnologie. Eine von ihnen ist Gisela Pleger, die als Vorstandsmitglied das Werk zusammen mit Militzer leitet. In der DDR war sie zuletzt Produktionsleiterin. 35 Jahre ist sie im Betrieb und die zehn Jahre bis zur Rente möchte sie auch noch hier arbeiten. Da fällt Identifikation mit dem Werk nicht schwer.
Doch auch Neuling Militzer hat damit keine Probleme. «Als Ostler war mir >Bur ger Knäcke< natürlich bekannt», sagt er. «Trotzdem könnte auch ein Westler die Firma leiten. Es bringt nämlich wenig, auf Ostalgie zu setzten. Eine solche Werbestrategie würde uns vielleicht fünf Prozent Zuwachs im Osten bringen. Mir sind 10 Prozent im Westen aber lieber, denn die bedeuten deutlich mehr Absatz. Außer dem könnte die Ostalgieschiene, die jetzt viele Unternehmen fahren, schon in einem Jahr vorbei sein.» Deshalb wolle er nicht das subjektive Gefühl der DDR- Nostalgie, sondern die tatsächliche Produktqualität vermarkten, so Militzer.
In den neunziger Jahren machte das älteste deutsche Knäckewerk eine schwere Phase durch, die Produktionsvorbereiterin Heike Brockmann (34) mit «von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt» beschreibt. Die Belegschaft bröselte von einst 726 auf 112 ab. Zwei Knacke- Bänder wurden ab- die Produktion von Brot und Keksen eingestellt. Der Betrieb schrieb aber immer schwarze Zahlen. Der neue Eigentümer Schiesser & Sohn missbrauchte ihn jedoch nach Darstellung Militzers als «Cash-Kuh» zur Sanierung seiner anderen Betriebe. Ständig habe er die Gewinne abgezogen, schließlich aber doch Pleite gemacht.
1999 kaufte sich eine süddeutsche Investorengruppe ein und wandelte die Knäcke-GmbH in eine Aktiengesellschaft um. Letztendliches Ziel: ein Börsengang. Der sei jedoch genauso Zukunftsmusik wie ein Jahresumsatz in dreistelliger Millionenhöhe. 1999 lag der Umsatz mit 24 Millionen Mark immerhin eine Million über dem des Vorjahres. Das Werk bewege sich deutlich in der Gewinnzone, sichert Militzer zu. Die Neuerung der Preiserhöhung greift dagegen schon jetzt. Mit etwa 119 Mark wird das Päckchen Knacke zwei Groschen mehr als bisher kosten.
Ein Preisunterschied von fast einer Mark zur Konkurrenz sei nicht einsichtig, wenn das Produkt genauso gut sei, begründet Militzer diesen Schritt. Eine Befragung habe ergeben, dass die Kunden bereit seien, diesen Preis zu zahlen, dass sie gar noch bis 1,99 Mark mitgehen würden.
Drei neue Mitarbeiter erhielten kürzlich einen Arbeitsvertrag. Weitere Einstellungen sind noch Zukunftsmusik. Ohne solche ist ein dreistelliger Millionenumsatz natürlich nicht zu machen. Bisher aller dings freut man sich schon, in den letzten drei Jahren die je zwei bis drei Lehrlinge übernommen zu haben, die bleiben wollten und ihre Prüfung bestanden hatten. Die sind jetzt im doppelten Sinne im Trockenen. «Wir haben es immer schön warm», scherzt nämlich Mettendorf. Im Winter 32 Grad, im Sommer entsprechend mehr. «Das ist wie beim Kuchenbacken. Da dürfen Sie auch keinen Durchzug machen», erklärt er.
Sieben bis acht Tonnen Knäckebrot gehen pro Schicht vom Band. Das sind 15 000 bis 16 000 Päckchen zu 250 Gramm mit der zugleich dünnen und stabilen Dauerbackware. Zwölf Meter hoch könne man Paletten übereinander stapeln, ohne dass die unterste Lage breche, weiß Brockmann. Eine Etage tiefer wird mit 3,5 Tonnen Zwieback je Schicht am zweiten Standbein der Firma gebacken. 30 Prozent vom Umsatz erwirtschaftet dieses schmackhafte Mittel gegen Hunger und Magen- und Darmbeschwerden. Hier wird die oben abgerundete Urform des Zwieback geschnitten, nicht die verpackungsgerechte quadratische.
Begeisterte Anhänger erwachsen dem Burger Zwieback jedoch nicht aus solcherlei Traditionspflege, sondern aus der sparsameren Verwendung von Zucker. Dass er nicht so unangenehm süß sei, wie der der Konkurrenz, loben Briefe westlicher Herkunft. Traditionspflege ungewollter Art wird beim Verpacken betrieben. Das geht immer noch per Hand vor sich. Damit soll aber bald Schluss sein. Zu den neun Millionen, die bis 2001 in Technik und Vertrieb investiert werden, gehören Gelder für eine Verpackungsmaschine. Laut Plan geht sie noch im Jahr 2000 in Betrieb. Wie sehr auch immer Militzer für Modernisierung und gegen Nostalgie spricht. An einem alten Getreidesilo auf dem Werksgelände steht noch immer die Losung gepinselt: «Kollege Bauer! Wir sorgen für die Gesunderhaltung und Qualitätsverbesserung deiner Produkte.»
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