- Politik
- DOPING-PROZESS
Attacken der Nebenklage
Verhandlung wieder vertagt
Von Jürgen Holz
Der 13. war alles andere als ein Glückstag, eher ein rabenschwar zer Tag für die 38. Strafkammer des Berliner Landgerichts, vor dem seit nunmehr 21 Verhandlungstagen der so genannte Doping-Prozess gegen Ex-DTSB- Chef Ewald und den Sportmediziner Dr. Höppner geführt wird. Auch gestern wur de kein Urteil verkündet, stattdessen der Prozess auf nächsten Dienstag vertagt.
Der Prozess wird indes mehr und mehr zur Farce. Die Nebenklage - angeführt vom Heidelberger Rechtsanwalt Dr. Michael Lehner - brachte erneut weitere Beweisanträge ein. Lehner, der so konsequente Freispruch-Verfechter des «Westdopers» Baumann, wehrte sich gegen den Vorwurf der «Prozess-Verschleppung» und äußerte, es ginge ihm «in erster Linie um ein unantastbares, juristisch einwandfreies Urteil». Doch Lehners zuvor vom Gericht schon abgewiesenen und nun wiederholt mit alten und teilweise neuen Namen von Zeugen versehenen Anträge zielen eindeutig darauf ab: Ewald und Höppner sollen unter allen Umständen hinter Gitter. Keine Bewährungsstrafe für sie, wie es der Oberstaatsanwalt forderte.
Lehner will Ex Verbandsärzte in der Leichtathletik, im Schwimmen und weitere Sportmediziner als Zeugen vorladen lassen, um zu beweisen, dass die Vergabe männlicher Hormone nicht nur für Kaderathleten galt. Damit will er die Anklage wegen Beihilfe zur Körperverletzung er schüttern und auf schwere Körperverletzung ausdehnen, so dass eine Bewährungsstrafe kaum in Betracht käme.
Streitpunkt ist in diesem Zusammenhang, inwieweit bei zwei der 22 Nebenklägerinnen die beiden Angeklagten die Verantwortung für die Vergabe von Oral- Turinabol tragen. Wäre dies nicht eindeutig nachzuweisen, würden sich die Nebenklage-Fälle nicht nur auf 20 reduzieren, sondern die beiden abgewiesenen Nebenklägerinnen müssten ihre Prozesskosten auch weitgehend allein tragen.
Im Fall der früheren Kugelstoßerin Bir git Boese bestätigte in einer eidesstattlichen Erklärung ihre einstige TSC Trainerin Helga Börner, dass die Athletin «zu keiner Zeit einer Kaderklasse 1, 2 oder 3 angehörte», so dass Boese nach der Konzeption «unterstützende Mittel», die nur für Kaderathleten galt, gär keine Anabolika verabreicht bekommen haben kann.
Auch für die Dresdner Ex-Schwimmerin Catherine Menschner bestätigte ihre gestern als Zeugin geladene frühere Trainerin Karla Heitmann, die Menschner in der 5. und 6. Klasse betreut hatte, dass sie «nicht in die Kaderklasse 1 bis 3 eingeteilt war» (später A- B- und C-Kader) und dass sie «als Trainerin nichts mit unterstützenden Mitteln zu tun» hatte. Sie habe einen Altersbereich trainiert, wo «u.M. keine Rolle spielten». Die daraufhin erneut vernommene Ex-Schwimmerin sagte jedoch aus, Oral-Türinabol von ihrer Trainerin erhalten zu haben. Prompt forderte ihr Anwalt Jan Mohr, noch einmal die Olympiasiegerin Rica Reinisch zu vernehmen, die zwischen ihrem 11. und 13. Lebensjahr bei Karla Heitmann trainiert hatte. Und Anwalt Lehner schaltete sich sofort ein und kündigte an, Strafanzeige gegen die Ex- Trainerin wegen Falschaussage zu stellen.
Wenn bis zum nächsten Freitag der Prozess nicht zu Ende ist, geht er in eine 30-tägige Sommerpause. Mit dem Urteil wäre dann erst im September zu rechnen, womit das Gericht angesichts der drohenden Verjährungsfrist in Zeitdruck käme.
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