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Ein zweites Leben für Kottenhain

Das 1992 aufgegebene Gut bei Blankenhain wird derzeit von jungen Ingenieuren aus Weimar wiedererweckt. Zehn Familien sollen hier künftig leben und arbeiten. Doch der Weg dahin ist lang und mühsam.

  • Lesedauer: 4 Min.

Dennoch wollen sie nichts überstürtzen. «Der Weg ist das Ziel», meint Wüst etwas philosophisch. Während Häuslebauer, die ihr Eigenheim per Katalog wählen, möglichst nach fünf Wochen einziehen möchten, hofft er, nach wenigstens fünf Jahren eine wohnliche Nutzbarkeit der stark ver sehrten Gebäude erreicht zu haben. Allen am Herzen liege dabei der denkmalgeschützte Dreiseithof als Kern Kottenhains. Jeder suchte sich hier ein Objekt, das er in eigener Verantwortung erhält und wieder aufbaut.

Wüst, der Architektur studiert hat, stürzte sich auf das Gutshaus aus dem 19 Jahrhundert. Nicht nur dessen derzeit eher trauriger Zustand unterm langen Walmdach spricht dafür, dass die Sanierung eine Lebensaufgabe wird. Auch die beiden Prämissen, unter die er die Rekonstruierung stellt, erfordern einen langen Atem: Einerseits möchte er sich dafür nicht verschulden, sondern stets so bauen, wie er es sich gerade leisten kann. Und andererseits will er die vorhandene Substanz äußerst behutsam durch traditionelle Handwerkstechniken mit Lehm, Holz und Stein erneuern. Er möchte ästhetischen Ansprüchen gerecht werden und den Charme der historischen Gebäude wieder sichtbar machen. Für die Neueindeckung verwendet er handgestrichene Biberschwänze. Wo er sie nicht mehr in Kottenhain findet, ergänzt er sie durch adäquates Material aus umliegenden Dörfern. Mithin sind alle ständig auf der Suche nach authentischem Baumaterial, allerdings auch noch nach einem gebrauchten, preiswerten Traktor.

In den umliegenden Dörfern verfolgt man mit einer Mischung aus Abwarten und Sympathie das Geschehen. Als Träumer oder Spinner gelten «die Studenten», wie die längst diplomierten Männer in der Umgebung oft genannt werden, jedoch nicht mehr. Im gemeinnützigen Kottenhain e.V engagieren sich nun auch Leute aus dem benachbarten Neckeroda. Der Verein will mit dem wieder erwachenden Gut auch zur kulturellen Bereicherung rund um Blankenhain beitragen. Seinen Sitz hat er in der großen Scheune, nun «Kulturscheune» genannt, die bereits rustikaler Gastraum, Tanzsaal und Landkino in einem ist. Sie wird der kulturelle Mittelpunkt des neuen Kottenhain. Im August schlägt auch ein Kinderzirkus für zwei Wochen sein Quartier hier auf.

Die jungen Männer - alle zwischen Ende 20 und Anfang 30 - wissen um die lebenslange Aufgabe, die sie sich da aufbürden. Als Leute vom Fach suchen sie sich auf ihre Weise zu motivieren: «Obwohl das Gutshaus 30 Jahre leer stand, ist es noch immer schön anzusehen. So ein Haus kriegt man heute so nicht mehr gebaut», ist Christian Wüst sicher. «Doch es ist mit Geschichte erfüllt. Und die Achtung vor der Arbeit derer, die es einst errichtet haben, gibt mir den Mut, es wieder aufbauen zu wollen.» Was er dabei nicht nur an Zeit und Kraft sondern auch an Geld investieren muss, darüber mag er nicht nachdenken. Denn wenn er das ausrechnen würde, ließe er wohl die Finger davon, meint er grienend.

Bis die ersten Häuser bewohnbar sind, logieren sie sich gemeinsam in einem Vierfamilienhaus am Ortseingang ein. Der Typenbau aus den 50er Jahren, an dem sie zunächst auch alle Fenster, Türen und Dielen zu reparieren hatten, solle ihnen eine Art Langzeitbaustellenunterkunft werden, erzählt Peter Wagner. So könnten sie schon langsam in ihrer neuen Heimat Fuß fassen.

Fast mehr als ihr baufachliches Vermögen brauchen die «Neusiedler» vorerst aber noch gute Nerven, Geduld und Durchsetzungskraft. Denn härter und länger als in den Kaufverhandlungen hatten sie darum gekämpft, dass die Elektrizität nach Kottenhain zurückkehrt. Als es endlich soweit war, gaben sie ein großes Stromfest, wie sie die Dorf- Kinder und Familienfete nannten. Dass dazu über 500 Leute anrückten, hatte sie selbst über rascht.

Allerdings sind damit noch längst nicht alle Probleme vom Tisch. Denn ein Wasseranschluss fehlt weiterhin. Der wäre sicher für viel Geld leichter zu bekommen, weiß Wüst. Doch da sie dieses einfach nicht haben, erwägen sie nun, sich einen Brunnen zu bohren. Die Telekom signalisierte hingegen, dass für sie eine Leitung in die abgeschiedene Wüstung nicht lohne. «Wenn wir hier aber mal ein Grafikdesignbüro oder eine Modellbauwerkstatt einrichten wollen, geht das natürlich nicht ohne Netzanschluss», so Wagner. Deshalb hoffen sie nun auf jenen Privatanbieter, der das Telefonieren aus der Steckdose verspricht.

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