Sozialdumping im Visier

Regierung in Frankreich legt Maßnahmenplan zu Werkverträgen vor und drängt zu Änderungen auf EU-Ebene

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Frankreich will verstärkt gegen den Missbrauch bei Werkverträgen vorgehen. Zu den Hauptherkunftsländern gehört auch Deutschland.

Die französische Linksregierung hat einen Maßnahmenplan gegen Sozialdumping auf den Weg gebracht. Damit will sie die »oft verheerenden« Konsequenzen der EU-Regeln über Werkverträge bekämpfen, mit denen französisches Sozialrecht umgangen und der Wettbewerb vor allem zu Lasten kleiner und mittelständischer Unternehmen verzerrt wird.

Anders als Deutschland und weitere EU-Länder hatte Frankreich bei der Umsetzung der EU-Direktive von 1996 in nationales Recht vorgeschrieben, dass die zeitweise abgestellten Arbeiter aus anderen EU-Ländern dasselbe Einkommen wie ihre französischen Kollegen - also zumindest den Minimallohn SMIC - erhalten und für sie dieselben Arbeitszeitregeln gelten. Lediglich die Sozialabgaben richten sich nach den Sätzen im jeweiligen Herkunftsland, was für französische Unternehmen, die Werkvertragsarbeiter beschäftigen, eine Lohnkostenersparnis von bis zu 40 Prozent bedeuten kann. In der Praxis werden selbst diese minimalen Regeln oft gebrochen. Dabei nutzen Unternehmer die mangelnden Sprach- und Rechtskenntnisse der Arbeiter aus, die wegen der Abhängigkeit von diesem Job nicht aufzubegehren wagen. Überhaupt ist nur etwa die Hälfte der offiziell 300 000, wahrscheinlich aber bis zu 500 000, ausländischen Arbeiter durch die Unternehmen bei den Behörden gemeldet. Der Missbrauch ist vor allem möglich, weil es auf EU-Ebene fast keine Kontrollen gibt und auch in Frankreich bisher nicht konsequent dagegen vorgegangen wird.

Das soll sich jetzt ändern, verspricht die Linksregierung, die sich zudem beim Treffen der EU-Arbeitsminister am 9. Dezember in Brüssel für eine Verschärfung der Regeln einsetzen will. In Frankreich sollen Hauptauftragnehmer für Großprojekte künftig mitverantwortlich dafür sein, dass alle Subunternehmer und deren Dienstleister die Vorschriften einhalten. Heute rechtfertigt man sich bei festgestellten Rechtsbrüchen nur zu oft damit, dass man den Partnern vertraut habe. Auch die französischen Leiharbeitsagenturen, die billige Arbeitskräfte aus Osteuropa holen und sie zu unschlagbar niedrigen Tarifen anbieten, sollen schärfer unter die Lupe genommen werden.

Der Skandal um den weit verbreiteten Missbrauch der EU-Direktive, der die Arbeitslosenzahlen in Frankreich in die Höhe treibt, wurde durch Enthüllungen der Gewerkschaften über die Zustände auf der Baustelle des Europäischen Hochdruckreaktors in Flamanville an der Atlantikküste publik. Hier kamen zeitweise bis zu 50 Prozent der Arbeiter aus dem europäischen Billiglohnausland. Die Bauindustrie ist in Frankreich der Zweig, wo die meisten Ausländer beschäftigt werden. An zweiter Stelle folgt die Landwirtschaft, wo Erntehelfer auf Feldern und Obstplantagen oder bei der Weinlese überwiegend aus dem Ausland geholt werden. Auch im Tourismusgewerbe - im Sommer vor allem an der Côte d›Azur und in der Bretagne, im Winter in den Alpen und Pyrenäen - gibt es viele Werkverträge. Bei den Herkunftsländern liegt Polen mit zur Zeit 27 000 zeitweiligen Arbeitskräften an der Spitze, gefolgt von Portugal und Rumänien. Es gibt aber auch 11 000 Werkvertragsarbeiter aus Deutschland - Unternehmer profitieren bei ihnen davon, dass die Sozialabgaben in der Bundesrepublik nie-driger sind als in Frankreich.

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