Von der Leyen wird Verteidigungsministerin

Gröhe macht wohl Gesundheit / Friedrich für Entwicklungshilfe im Gespräch / Özoguz als erste Frau mit türkischen Wurzeln am Kabinettstisch

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Berlin. Union und SPD wollten die Namen der Minister der künftigen Bundesregierung eigentlich erst nach dem Ausgang des SPD-Basisentscheids bekanntgeben. Doch bereits Ende der Woche sickerten die ersten Personalien durch - ausgerechnet die der Sozialdemokraten, welche vor allem die Geheimhaltung gewünscht hatten.

Die SPD-Seite in der Regierung

Sigmar Gabriel: Das neu zugeschnittene Wirtschafts- und Energieministerium wird von SPD-Chef Sigmar Gabriel geleitet. Der 54-jährige Sozialdemokrat wird seit längerem auch als der neue Vizekanzler bezeichnet, diesen Posten gibt es aber offiziell in der Bundesregierung nicht.

Frank-Walter Steinmeier: Der bisherige Fraktionschef der SPD im Bundestag wird wieder Bundesaußenminister - diesen Posten bekleidete er bereits zu Zeiten der Großen Koalition von 2005 bis 2009. Dafür gibt der 57-Jährige den Fraktionsvorsitz ab.

Barbara Hendricks: Die 61-Jährige war bisher Schatzmeisterin der SPD und soll nun in der Regierung das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit übernehmen. Eine entscheidende Neuerung hierbei ist, dass der Baubereich mit dem wichtigen Teil der Gebäudesanierung aus dem Verkehrsministerium herausgelöst wird und in Hendricks‘ Ressort fällt. Der Themenkomplex Energiewende wird damit im Wesentlichen von nur zwei Ministerien bearbeitet, die beide von einer Partei geleitet werden.

Andrea Nahles: Die Generalsekretärin der SPD galt schon länger als die Favoritin für das Amt der Ministerin für Arbeit und Soziales. Die 43-Jährige übernimmt damit ein sozialdemokratisches Schlüsselressort, gibt aber ihr Parteiamt ab. Um die Nachfolge wird bereits gestritten: Gabriel habe den schleswig-holsteinischen Landeschef Ralf Stegner als Generalsekretär gewollt, der der gemäßigten Parteilinken zugerechnet wird. Dies sei aber in der SPD nicht durchsetzbar, heißt es - weshalb für Stegner ein sechster Parteivize-Posten geschaffen werden könnte. Für Nahles‘ Nachfolge soll unter anderem Yasmin Fahimi im Gespräch sein, welche die Grundsatzabteilung der Gewerkschaft IG BCE leitet.

Manuela Schwesig: Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern übernimmt das Familienministerium. Die 39-Jährige wird immer einmal wieder als das »Gesicht« der ostdeutschen SPD bezeichnet und hat eine steile Karriere hingelegt. Als Ministerin würde die gebürtige Brandenburgerin auch für das von der SPD heftig bekämpfte Betreuungsgeld zuständig sein.

Heiko Maas: Der saarländische Wirtschaftsminister ist auf SPD-Seite die eigentliche Überraschung - der 47-Jährige wird Justizminister. Von 1999 bis 2012 stand der gebürtige Saarländer an der Spitze der Landtagsfraktion, seit 2000 führt der studierte Jurist auch die Landes-SPD. 1998 übernahm er als damals jüngster Minister in Deutschland das Umweltministerium. Dreimal hat sich Maas für die SPD um das Amt des Regierungschefs in Saarbrücken beworben, dreimal zog er den Kürzeren.

Aydan Özoguz: Die stellvertretende SPD-Vorsitzende soll nach Medieninformationen neue Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration werden. Mit der 46-Jährigen Hamburgerin würde erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Frau mit türkischen Wurzeln am Kabinettstisch Platz nehmen.

Während am Samstag noch die Auszählung des SPD-Mitgliederentscheids lief, schossen weitere Spekulationen über mögliche Ministernamen ins Kraut - diesmal nun vor allem mit Blick auf die Unions-Ressorts. Nicht jede Eilmeldung hielt dabei, was sie versprach. Und manche Namen - etwa der von Ursula von der Leyen - waren binnen weniger Stunden gleich für drei Ministerien im Spiel. Inzwischen hat sich das Bild etwas geklärt; lediglich bei der Union gibt es den Medienberichten zufolge noch offene Fragen bei der Besetzung des Landwirtschafts- und des Entwicklungshilfeministeriums.

Die Unionsseite in der Regierung:

Angela Merkel: Die 59-Jährige wird ihre dritte Kanzlerschaft bekommen - und bewegt sich damit auf den Zenit ihrer politischen Karriere zu. Künftig wird es immer spannender werden, wie die Zukunft der Union nach Merkel aussieht, die der Partei ihren Stempel aufgedrückt hat, und damit auch auf Kritik vor allem beim konservativen Flügel gestoßen ist.

Peter Altmaier: Der bisherige Umweltminister wird Kanzleramtschef. Der 55-Jährige hatte nach allgemeiner Ansicht nach der Entlassung seines Vorgängers Norbert Röttgen Schwung in die Energiewende gebracht, aber auch er konnte viele Probleme nicht lösen. Altmaier, der über die Parteigrenzen hinaus beliebt ist, gilt als kommunikativ, selbstironisch und ist für Merkel ein wichtiger Mann. Der Saarländer kennt sich in der Europapolitik bestens aus, spricht viele Sprachen fließend und hat als Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion seine machtpolitischen Qualitäten bewiesen. Der bisherige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) gibt seinen Posten aus persönlichen Gründen auf..

Wolfgang Schäuble: Die SPD hat zwar ein paar Muskeln spielen lassen, aber eine wirkliche Chance auf das Finanzministerium gab es für die Sozialdemokraten wohl nie. Das Ressort wird weiter vom 71-Jährigen CDU-Mann Schäuble geleitet, er ist der Politiker mit der größten Regierungserfahrung in Merkels drittem Kabinett. Trotz seiner Gesundheitsprobleme gilt Schäuble als zäh - und ist politisch durchaus gefürchtet. Mit ihm bliebt ein Architekt der umstrittenen und verheerenden deutschen Austeritätspolitik in einer Schlüsselstellung der Bundesregierung.

Ursula von der Leyen: Auch wenn der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, ihre mögliche Berufung als Verteidigungsministerin einen »Ausdruck von Normalität« nannte, ist ihre Benennung eine der großen Überraschungen auf Unionsseite. Am Samstag galt die 55-Jährige CDU-Politikerin mal als Gesundheitsministerin, dann wurde ihr das Innenressort zugetraut. Nun also Verteidigung. Von der Leyen konnte nicht länger im Arbeitsministerium bleiben, weil dieses von der SPD beansprucht wurde. Die frühere niedersächsische Sozialministerin und CDU-Vize gilt wegen ihres scharfen Verstandes und ihrer Redegewandtheit als Allroundtalent in der Partei, ist aber nicht sehr beliebt.

Hermann Gröhe: Der 52-Jährige wird Gesundheitsminister, was insofern überraschend ist, als dass er von der fachlichen Seite betrachtet keine besonderen Voraussetzungen mitbringt. Gröhe ist seit 2009 Generalsekretär der CDU, in der Partei wird ihm ein großer Anteil am erfolgreichen Bundestagswahlkampf zugesprochen. Die Konkurrenz beurteilt ihn als sachlich, freundlich und fair. Gröhe war in der Unionsfraktion sieben Jahre lang Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Die Verhandlungen um die Gesundheitspolitik hatte der Bundestagsabgeordnete Jens Spahn geführt, er geht nun offenbar leer aus, weil mit Gröhe ein enger Vertrauter von Merkel einen Posten bekommt - das Gesundheitsressort.

Johanna Wanka: Die 62-Jährige ist erst seit 2013 nach dem Rücktritt von Annette Schavan Bildungsministerin - und bleibt dies wohl auch. Die »Berliner Morgenpost« berichtete unter Berufung auf CDU-Kreise zwar, Wanka werde als Nachfolgerin von Bernd Neumann Kulturstaatsministerin. Die »Rheinische Post« hatte zuvor jedoch berichtet, dass Wanka weiter Chefin des Bildungsministeriums bleibe. Die CDU stuft das Ressort als eines der wichtigsten im Kabinett ein, davon ist aber in der Außenwahrnehmung kaum etwas zu spüren. Was auch an Wanka liegt. Zwar kann die CDU-Frau mit den Milliardenausgaben für die Forschung durchaus Politik machen, die Mathematikerin gilt als konservativ und pragmatisch.

Thomas de Maizière: Der 59-Jährige wollte wohl gern Verteidigungsminister bleiben, muss den Posten aber für eine Parteifreundin räumen, für die als Ersatz für das Arbietsministerium ein gleichrangiges Ressort gefunden werden musste. De Maizière war freilich schon einmal Innenminister - von Oktober 2009 bis März 2011. Er stand als Chef des Verteidigungsressorts unter massiver Kritik, unter anderem wegen des gescheiterten Rüstungsprojekts »Euro-Hawk«. Allerdings gilt der aus Bonn stammende CDU-Politiker auch jenseits seiner Partei als außerordentlich klug und wegen seiner ruhigen Art geschätzt.

Alexander Dobrindt: Als CSU-Generalsekretär hat der 43-Jährige vor allem die ganz große Pauke gehauen - nun soll er das neueste Ressort lenken: das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Ob die Netzgemeinde, die lange schon nach einer größeren Rolle des Themas in der Regierung mit der Personalie zufrieden ist, wird sich zeigen. CSU-Chef Horst Seehofer hatte Dobrindt aber einen Ministerposten versprochen. Einst scholt er die FDP als »Gurkentruppe«, er provoziert auch weiterhin, wägt seine Worte aber stärker als früher ab.

Peter Ramsauer: Er war bisher Verkehrsminister und könnte das Kabinett nun verlassen.
Über sein politisches Schicksal gab es unterschiedliche Berichte. Möglich ist auch, dass der CSU-Mann Agrarminister wird.

Hans-Peter Friedrich: Der 56-Jährige war bisher Innenminister und stieß wegen seines Kurses vor allem auf der Linken auf harsche Kritik. Nun ist der Franke unter anderem für das Agrarressort im Gespräch, das bisher seine Parteifreundin Ilse Aigner leitete, die aber nach München gewechselt ist. Für Friedrich wäre es ein Abstieg, zumal das Landwirtschaftsministerium künftig nicht mehr für den Verbraucherschutz zuständig ist, der dem Justizministerium zugeschlagen. Der CSU-Mann wird aber noch für ein anderes Ressort gehandelt - das Entwicklungshilfe-Ministerium. Angeblich soll Friedrich die Wahl zwischen Entwicklungs- und Agrarministerium haben. Seehofer hatte dem bisherigen Innenminister noch im August für diesen Posten eine Garantie gegeben, Friedrich war aber unter anderem in der NSA-Abhöraffäre in die Kritik geraten.

Agenturen/nd

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