Die Hoffnung auf das ewige Leben

Ausstellung in Mühlhausen über Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation

  • Marion Dammaschke
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Jakobsweg ist einer der bekanntesten Pfade, den christliche Pilger bereits seit dem 11. Jahrhundert nutzen, um ins spanische Santiago de Compostela zu gelangen und am vermeintlichen Grab des Apostels Jakobus für ihr Heil zu beten. Auch durch Mitteldeutschland führen heute Pilgerwege, markiert durch Pilgerzeichen wie die sogenannte Jakobsmuschel. Für die Mehrzahl der Besucher der neuen Ausstellung in Mühlhausen/Thüringen dürfte die religiöse Lebenspraxis vergangener Jahrhunderte jedoch kaum noch nachvollziehbar sein. Umso beeindruckender sind die über 300 Exponate, sakrale Kunstwerke und Alltagsgegenstände, die hier teils erstmals ausgestellt werden. Sie berichten über Glauben und Frömmigkeit im Vorfeld der Reformation.

Die Ausstellung ist in sieben, an die Sakramente angelehnte Abschnitte gegliedert. Der Lebenszyklus eines Menschen beginnt mit der Taufe, hier symbolisiert durch einen gewaltigen Taufkessel von 1514, und endet mit dem Tod, dem in dieser Schau viel Raum eingeräumt wird. Das ist kein Zufall, denn für den mittelalterlichen Menschen war - auch angesichts einer geringen Lebenserwartung - die Vorstellung, plötzlich sterben zu müssen, ein furchtbarer Schrecken. Nicht nur, dass bei einem unvorbereiteten Tod oftmals die weltlichen Angelegenheiten des Verstorbenen ungeklärt blieben. Angst jagte vor allem die Vision ein, ohne die für das Seelenheil erforderlichen Sterbesakramente vor Gott treten zu müssen.

Bildwerke in Kirchen verehrten nicht nur Heilige, sondern zeigten auch Sterbeszenen. Sogenannte Totentänze sollten an die Endlichkeit des irdischen Daseins erinnern. In der Ausstellung ist das Gemälde »Der Sterbende« von Lucas Cranach d. Ä. (um 1518) zu sehen. Auch für spätere Künstler war das Motiv des »Todestanzes« eine Herausforderung. So schuf HAP Grieshaber (1909 - 1981), inspiriert vom »Totentanz von Basel«, eine Reihe von Farbholzschnitten, in denen alle Stände - vom Bauern bis Kaiser und Papst - dem Tod begegnen. Vierzig dieser Werke sind in der Mühlhäuser Marienkirche, einem weiteren Ausstellungsort, zu besichtigen. Korrespondierend bietet das Stadtarchiv Einblick in die Sammlung von illuminierten Ablassbriefen.

Totenbücher, die sowohl in Latein wie in Deutsch gedruckt wurden, boten Geistlichen wie Laien Anleitungen zur Vorbereitung auf einen »guten Tod«, eine entscheidende Voraussetzung, damit sich die Hoffnung auf das ewige Leben erfüllt. Dies fand seinen idealen Ausdruck in der »Kunst des Sterbens« (Ars moriendi). Ein Beispiel dafür ist das vom Leipziger Drucker Konrad Kachelofen um 1497/98 publizierte Totenbüchlein, das anzustrebende Sterbesituationen detailreich beschreibt. Ausstellungskurator Hartmut Kühne hat darüber geforscht. Auch seine Untersuchungen zu Wallfahrten und über das spätmittelalterliche Pilgerwesen sind in die Ausstellung eingeflossen.

Im irdischen Leben galt es ständig, sich der Anfechtungen durch böse Mächte zu erwehren. Heiligenabbildungen dienten nicht nur als Schmuck, sondern vor allem als Schutz und zur Vergewisserung göttlichen Beistands. Besonders augenfällige Beispiele für diese Art von Heiligenverehrung finden sich auf farbenfroh glasierten Ofenkacheln und Backmodeln, die mehrheitlich in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden. Der Besucher erfährt viel über rituelle Handlungen im Zeichen der Frömmigkeitskultur, dazu gehörten auch Stiftungen, Votivgaben und Ablässe. Die Kritik am Ablass wurde schließlich zum auslösenden Motiv für die Reformation. 1517 veröffentlichte bekanntlich der Wittenberger Reformator Martin Luther seine 95 Thesen wider den Ablasshandel.

Mehrere in der Ausstellung zu bewundernde Objekte waren Jahrhunderte verschollen oder versteckt und sind vielfach erst bei der Renovierung von Pfarrkirchen wieder ans Tageslicht gebracht worden. Ein um 1496 gemaltes Tafelbild mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts wurde 1839 auf dem Dachboden der Dorfkirche in Haina gefunden (jetzt Meininger Museum, in Mühlhausen als Reproduktion). Und erst jüngst entdeckte man unter Dachsparen zwei um 1500 entstandene »Engelsstangen«, die bei Prozessionen in Schleiz benutzt worden sind.

Das Ausstellungsprojekt, das Thomas T. Müller, Direktor der Mühlhäuser Museen, verantwortet, wird ab Juni im Städtischen Museum Leipzig und ab November im Kulturhistorischen Museum Magdeburg zu sehen sein. Damit wollen die Bundesländer, zu der die drei Museen gehören, erstmalig gemeinsam auf das 500-jährige Reformationsjubiläum einstimmen.

»Umsonst ist der Tod. Alltag und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Mitteldeutschland«, Museum am Lindenbühl in Mühlhausen, bis 13. April, Di - So 10 bis 17 Uhr, Eintritt 6 €, ermäßigt 4 €; Katalog (416 S., 29,95 €).

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