Islam ist die »Religion des Staates«

Auch die neue Verfassung fußt auf den Prinzipien der Scharia

  • Lesedauer: 2 Min.
Mit Ägyptens neuer Verfassung soll die Demokratie ins Land zurückkehren. Aber sie wird erhebliche Einschränkungen haben.

Die Lektüre des Entwurfs der neuen ägyptischen Verfassung beginnt mit einer Überraschung: Anders als allgemein erwartet, hat die 50-köpfige verfassunggebende Versammlung die Scharia, also das islamische Recht, nicht vollends aus dem Dokument gestrichen. Der Islam bleibt »die Religion des Staates«, und die »Prinzipien der Scharia sind die Quelle aller Gesetzgebung«. Ausgemustert wurde nur jener im Dezember 2012 von der islamistischen Regierung des Präsidenten Mohammed Mursi durchgesetzte Passus, in dem diese Prinzipien detailliert erläutert werden.

Außerdem bleibt zwar die Al-Azhar-Universität die Referenzstelle für islamische Angelegenheiten. Doch anders als in der im Juli ausgesetzten Verfassung soll die älteste Lernstätte der islamisch-sunnitischen Welt nicht mehr entscheiden dürfen, ob eine Gesetzgebung mit der Scharia im Einklang steht. Dafür wird künftig das Verfassungsgericht zuständig sein.

Dieser Artikel gibt der Regierung damit sehr viel Spielraum - was sich wie ein roter Faden auch durch den restlichen Entwurf zieht, wenngleich die Sprache oft sehr viel deutlicher ist als in der alten Verfassung. So soll die Glaubensfreiheit künftig nicht mehr »geschützt«, sondern »absolut« sein. Doch die Freiheit, Religion zu praktizieren und Glaubenseinrichtungen zu betreiben, wird explizit nur den »himmlischen Religionen«, also Islam, Christentum und Judentum, zugestanden - allerdings nur »gemäß den staatlichen Gesetzen«. Und die bieten nichtmuslimischen Glaubensgemeinschaften traditionell wenig Schutz.

Offen für Interpretationen sind auch die Artikel, die die politischen Parteien betreffen: Sie dürfen nicht auf der Grundlage von Religion, Geschlecht, ethnischer oder geografischer Herkunft agieren; es ist ihnen verboten, gegen die »Grundsätze der Demokratie« zu handeln.

Vage sind auch die Regelungen zum Demonstrationsrecht. Arbeitnehmerstreiks, bislang eine Straftat, tauchen im Entwurf gar nicht auf. Stattdessen gesteht die neue Verfassung den Bürgern Rede- und Versammlungsfreiheit zu - allerdings auch hier wieder »gemäß den staatlichen Gesetzen«, und damit im Grunde nach dem Ermessen der jeweiligen Regierung.

Ähnlich sieht es mit der Freiheit von Kunst und Presse aus: Die Verfassung gesteht beides explizit zu, erlaubt aber gleichzeitig die Zensur in Zeiten des Ausnahmezustandes.

Militärtribunale werden künftig weitgehend der Vergangenheit angehören: Sie werden nur noch bei direkten Straftaten gegen Einrichtungen oder Personal des Militärs möglich sein. Zudem soll künftig jeder, der festgenommen wird, zwingend von einem einen Anwalt vertreten werden. -liv

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