Zuckriges Zündeln

  • Iris Rapoport, Berlin und Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate«. So etwa formulierte es der Nobelpreisträger Otto H. Warburg in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, als man begann, die Grundzüge unseres Stoffwechsels aufzuklären. Und so hörte ich es als Studentin in der Ernährungsvorlesung. Das klang gut und blieb im Ohr - bis heute. Aber was bedeutet es? Verbrennen bedeutet chemisch: Reaktion mit Sauerstoff. Bei organischen Verbindungen entsteht dabei Kohlendioxid und Wasser und es wird Energie frei. Man kennt das: verbrennt Benzin im Motor des Autos, dann fährt es, verbrennt Öl in der Heizung, dann wärmt sie.

Nun lodert und explodiert in unserem Körper nichts, aber dennoch entstehen Kohlendioxid und Wasser im Stoffwechsel als Endprodukte. Das entspricht einer Verbrennung. Der Unterschied liegt im Weg. Wo sonst sofort Gase entstehen, ermöglichen beim Abbau unserer Kalorienlieferanten Enzyme einen gebändigten vielstufigen Prozess.

Auch die Energie wird dabei stufenweise freigesetzt und sehr elegant in chemischen Bindungen im ATP (Adenosintriphosphat) gespeichert. Das ATP dient dem Körper als »frei konvertierbare Energiewährung«: Keine Muskelbewegung, keine Proteinsynthese, keine Erbgutvermehrung ohne ATP, selbst die Nutzung von Zucker und Fett muss in den Zellen durch ATP, wie Feuer mit einem Streichholz, angefacht werden.

Zurück zu den Fetten. Sie sind bekanntlich schlecht wasserlöslich. Deshalb bildet die Leber, speziell bei Hunger oder während man Ausdauersport treibt, aus Fetten zunächst kleinere, gut lösliche Verbindungen, Ketonkörper genannt. Die schickt die Leber per Blutstrom vor allem zu den Muskeln. Dort werden die Ketonkörper zur Energiegewinnung genutzt. Und dazu sind Zucker, also Kohlenhydrate, unentbehrlich! Nur dann lassen sich die Ketonkörper unter Freisetzung von Energie abbauen. Und was geschieht bei Zuckermangel? Dann verbleiben die Ketonkörper ungenutzt im Blut. Die Folge: Da die meisten von ihnen Säuren sind, wird der Körper übersäuert. Das stört unseren Stoffwechsel und kann bei längerer Dauer Osteoporose begünstigen. Anders gesagt, sie werden zu schädlichem Abfall, der mit viel Wasser über die Niere entsorgt werden muss. Das erzeugt Durst, belastet die Niere und die Nierensteingefahr steigt.

Ist solch ein Zuckermangel für uns überhaupt je relevant? Durchaus. Insulinmangel, der den Transport von Zucker aus dem Blut in die Muskelzellen unterbindet, verursacht bei Typ-1-Diabetes den gleichen Effekt. Dem wirkt man durch Insulingaben entgegen. Und es geschieht auch bei etlichen »low-carb«-Diäten (wenig Kohlehydrate), wie bei der Atkins Diät. Der durch Ernährung bedingte Zuckermangel erzeugt gleichzeitig einen Kalorienmangel und zwingt den Körper zum Fettabbau. Das funktioniert tatsächlich, doch der Abbau bleibt bei den Ketonkörpern stecken. Mit Blick auf die geschilderten Folgen ist es nicht verwunderlich, dass diese Diäten sehr kontrovers diskutiert werden. Da scheint es schon besser, die Fette bei Sport oder Spiel mit einer Prise Zucker kräftig brennen zu lassen!

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