Tendenz zur sozialen Abgeschlossenheit

Über das Verhältnis zwischen Linkspartei und Journalismus

  • Malte Daniljuk
  • Lesedauer: 6 Min.
In den bundesdeutschen Medien ist die Linkspartei nach wie vor unterrepräsentiert. Das Schicksal teilt sie mit anderen Minderheiten. Langfristig wird sich das Verhältnis zwischen Linkspartei und Journalismus aber normalisieren.

Die Linkspartei startete mit einer überraschend guten Medienpräsenz ins neue Jahr. Verglichen mit äußerst niedrigen Werten bis Ende 2013 traten Politiker der Linkspartei im Januar mehr als doppelt so häufig in den wichtigsten Nachrichtensendungen auf, so das Kölner Institut für empirische Medienforschung (IFEM). Mit einem Anteil von 7,4 Prozent an allen erfassten Politikerauftritten bleibt die Partei aber weiterhin diejenige Bundestagspartei, der die Redaktionsleiter am wenigsten Platz einräumen.

Der Umgang von Journalisten mit der Linkspartei hatte gerade im Januar eine breite medienpolitische Debatte ausgelöst, nachdem der ZDF-Moderator Markus Lanz in seiner Talkshow gemeinsam mit Hans-Ulrich Jörges vom »Stern« die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht immer wieder aggressiv unterbrochen und unsachlich angegriffen hatte. Das Publikum reagierte mit einem deutlichen medienpolitischen Warnschuss. Innerhalb von knapp einer Woche unterzeichneten mehr als 200 000 Menschen eine an das ZDF gerichtete Petition zur Ablösung von Markus Lanz.

LINKE von Medien vernachlässigt?

Der Streit zwischen der Linkspartei und Teilen der Medien um die Präsenz der Partei ist alt. Schon zu PDS-Zeiten gab es Kritik an der Unterrepräsentanz von Politikern der Partei vornehmlich in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den sogenannten Leitmedien wie dem »Spiegel«. Vor allem der linke Parteiflügel spricht von einer Ausgrenzungsstrategie der »bürgerlichen Medien«. Er meint damit nicht nur die mangelnde Präsenz von Vertretern der Partei in den TV-Nachrichten, auch linke Positionen und Sichtweisen würden vielfach unterdrückt bzw. verzerrt dargestellt.

Zu Wort kämen vor allem die Vertreter des sogenannten Reformerflügels der Partei. Allerdings müssen auch die um Auftritte kämpfen. Was dran ist an dem Vorwurf, die Linkspartei würde in den Medien stiefmütterlich behandelt, hat unser Autor Malte Daniljuk untersucht. Daniljuk studierte Kommunikationswissenschaft und Publizistik an der Freien Universität Berlin. Er arbeitet als freier Journalist in Berlin. nd

Die insgesamt niedrige Medienpräsenz der Linkspartei steht vor allem im auffälligen Kontrast zu den im Bundestag in ähnlicher Zahl vertretenen Grünen. Deren Medienpräsenz lag in den vergangenen sieben Monaten durchgehend über ihrem Anteil im Plenarsaal - und dies teilweise sehr deutlich. In dem für die Bundestagswahlen besonders wichtigen Monat September entstammten mehr als 16 Prozent der in den TV-Nachrichten auftretenden Politiker der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Selbst die FDP - zu diesem Zeitpunkt bei den Prognosen seit Monaten unter der Fünf-Prozent-Hürde - erreichte im September mit fast 14 Prozent laut IFEM die dreifache Präsenz verglichen mit der Linkspartei.

Deren schlechte Medien-Werte scheinen sich keineswegs auf das Fernsehen zu beschränken. Das Schweizer Institut Mediatenor wertet regelmäßig die gesamte deutsche Berichterstattung aus und attestierte den hiesigen Oppositionsparteien eine äußerst schwierige Situation. Vor den Bundestagswahlen kamen die Forscher zu dem Ergebnis: »Die Grünen bringen es in ihrer Präsenz kaum über die Wahrnehmungsschwelle, die Linke liegt klar darunter, Piraten und AfD sind praktisch unsichtbar.« Damit eine Organisation vom Publikum überhaupt wahrgenommen werde, müsse jedoch kontinuierlich ein gewisses Maß an Berichterstattung stattfinden, ansonsten sei »jede Medienarbeit wertlos«.

Mit einem Blick auf die Medienpräsenz von CDU/CSU und SPD drängt sich tatsächlich der Verdacht auf, dass die zuständigen Redakteure die Bundesrepublik im Kern für ein Zweiparteiensystem halten. Drei Viertel der von den Nachrichten überbrachten Politiker-Statements entstammten der zunächst bevorstehenden und später tatsächlich beschlossenen Großen Koalition. Noch stärker als bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zeigt sich die Geringschätzung der Opposition und insbesondere der Linkspartei bei den privaten Sendern SAT.1 und RTL. »Die Linke hat unter den parlamentarischen Parteien in allen Nachrichtensendungen die geringste Präsenz. In den privaten Sendungen fällt sie noch schwächer aus als in den öffentlich-rechtlichen«, so Udo Michael Krüger, Geschäftsführer des IFEM, gegenüber dieser Zeitung.

Dass es in den vergangenen Wochen Anzeichen für eine breitere Darstellung linker Positionen gab, wird auch in der Bundestagsfraktion der Partei registriert. »Die Entwicklungen deuten darauf hin, dass die parteipolitischen Konstellationen in den Redaktionen stärker aufgenommen werden«, bestätigte etwa der Pressesprecher der Fraktion, Hendrik Thalheim. Dies strahle sogar auf die Berichterstattung durch die privaten Sender aus. Zwar sei es »kaum von der Hand zu weisen«, dass in den Redaktionen Vorbehalte gegen die Linkspartei eine Rolle spielen. Allerdings sieht Thalheim auch Verbesserungsbedarf in den eigenen Reihen. So weise der übergroße Anteil von Gregor Gysi an der linken Medienpräsenz darauf hin, dass es noch nicht ausreichend gelungen ist, weitere Politiker der Partei so zu etablieren, dass sie von den Medien nachgefragt werden.

Diese starke Fixierung - zumindest der audiovisuellen Medien - auf den Vorsitzenden der Linksfraktion geben auch die aktuellen Erhebungen des IFEM deutlich wieder. Allein im Januar registrierte das Institut 32 Auftritte von Gregor Gysi in den Hauptnachrichtensendungen. Nur sieben Politiker traten in diesem Zeitraum häufiger auf. Allerdings wurden sie zumeist nur gezeigt oder genannt, während Gegor Gysi, Träger des Rhetorik-Preises der Universität Tübingen, immer im Originalton zu Wort kam. Aber - und hier wird die Schwäche der Linkspartei deutlich - er ist der einzige Politiker der Partei, der regelmäßig in der Top-20-Liste des IFEM auftaucht.

Der Sozialwissenschaftler Horst Kahrs verweist darauf, dass das »Verständnis für die Arbeitsbedingungen des Journalisten und die politische Aufmerksamkeitsökonomie« innerhalb der Linkspartei teilweise verbesserungsfähig sei. Noch zu oft gebe es, so Kahrs, »die Erwartungshaltung, dass der Journalist zu übernehmen habe, was in der alles erklärenden Pressemitteilung steht«. Die wesentliche Ursache für die schwierige Position der Partei sieht der Referent der Rosa-Luxemburg-Stiftung jedoch in der Sozialisierung der zuständigen Redakteure. »Journalisten, die beruflich Erfolg haben, kommen eher aus den oberen Mittelschichten und bringen Positionen jenseits des Mainstreams wenig Verständnis entgegen.«

Die Einschätzung, dass es sich bei Journalisten und insbesondere in den Politikredaktionen sozio-kulturell um einen exklusiven Club handelt, unterstützen auch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen. Magreth Lünenborg und Simon Berghofer konnten zuletzt in einer Studie für den Deutschen Fachjournalisten-Verband (DFJV) zeigen, dass Politik-Journalisten eine noch stärker homogene Gruppe bilden als die Mitarbeiter anderer Ressorts. Stärker noch als beim Journalismus im Allgemeinen ist das Thema Politik in den Redaktionen von männlicher Dominanz gekennzeichnet. »Insbesondere auf Ebene der Chefredaktion und Programmdirektion sind Politikjournalistinnen nach wie vor radikal unterrepräsentiert«, so die beiden Medienforscher.

Die Tendenz zur sozialen Abgeschlossenheit der Berufsgruppe kritisiert auch der Elitenforscher Michael Hartmann: »In den Chefredaktionen sind Frauen, ostdeutsche Biographien oder Menschen mit Migrationshintergrund praktisch nicht anzutreffen«, so Hartmann im vergangenen Mai am Rande des Umverteilen-Kongresses. Auch Peter Ziegler, der im Jahr 2008 für die Friedrich-Ebert-Stiftung verschiedene Jahrgänge von drei Journalistenschulen untersuchte, kommt hinsichtlich der sozialen Repräsentativität des Berufsgruppe zu deutlichen Ergebnissen: Die Kursteilnehmer seien in ihrem sozialen Kontext keineswegs ein Spiegel der Gesellschaft, so sein Fazit. Bei den von ihm befragten zukünftigen Journalisten stellte der Medienforscher zudem eine starke »Selbstbezogenheit des Journalismus« fest. Man orientiere sich aneinander und bevorzuge die Leitmedien, welche die eigenen Ansichten bestätigen.

In der Zusammensetzung der Politikredaktionen liegt auch eine mögliche Antwort auf die Frage, warum die Grünen verglichen mit der Linkspartei relativ gut in der medialen Darstellung abschneiden. Auf die Frage nach ihren politischen Einstellungen gaben zwar über ein Drittel im Rahmen der DFJV-Studie an, dass sie keiner Partei zuneigen. Mehr als ein Viertel der Politikjournalisten nannte jedoch Bündnis 90/Die Grünen, die damit mit Abstand die populärste Partei innerhalb der Berufsgruppe stellen. Nur 4,2 Prozent der befragten Journalisten gaben eine Neigung zur Linkspartei an. Gegenüber Vorläuferuntersuchungen hat sich dieser Wert allerdings deutlich verbessert. Im Jahr 2005 betrug der Zuspruch zur Vorgängerpartei PDS unter Journalisten nur ein Prozent.

Diese und andere Zahlen weisen darauf hin, dass langfristig eine Normalisierung zwischen Journalismus und Linkspartei eintritt. Das schließt allerdings nicht aus, dass die Partei - insbesondere im Vorfeld von Wahlen - wieder deutlich unter die Wahrnehmungsschwelle gedrückt werden kann. Ob massive Unmutsäußerungen des Publikums positive Effekte auf die politische Ausgewogenheit in der medialen Darstellung entwickeln, bleibt eine spannende Frage. Laut DFJV-Studie ist aber Skepsis angebracht. Politikjournalisten gestehen dem Publikum »insgesamt nur geringe Rückwirkung auf ihre Arbeit zu«. Die Reaktion namhafter Journalisten auf die Lanz-Petition ließ Ängste vor einer stärkeren Rolle des Publikums deutlich werden.

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