Kredit vom Nachbarn

Französische Regierung fördert Initiativen für private Darlehen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
In Frankreich soll es für Kleinstunternehmer und Start-ups künftig leichter werden, ohne Umweg über die Banken an Geld zu kommen. Das sieht ein Maßnahmenbündel der Regierung vor.

Das französische Wirtschafts- und Finanzministerium hat kürzlich eine Serie von Maßnahmen angekündigt, um die »partnerschaftliche Kreditvergabe« zu erleichtern und zu fördern. Angesichts der seit Jahren wachsenden Schwierigkeiten für Kleinunternehmer, Kredite zu bekommen, wurde die Idee geboren, die großen Banken zu umgehen und auf breiter Basis bei Privatleuten Ersparnisse einzusammeln, um damit Kredite zu vergeben. Als »Crowdfunding« vor allem für Start-ups - also im Entstehen begriffene Kleinstfirmen mit innovativen Ideen - ist dieses Verfahren bereits seit einigen Jahren in den USA sehr erfolgreich.

»Das wollen wir übernehmen und in Europa damit die Nummer eins werden«, kündigte Fleur Pellerin (Parti Socialiste), Ministerin für kleine und mittlere Unternehmen, an. Dafür hat sie schon mal die Obergrenze für Kredite, die Start-ups über Internetplattformen wie SmartAngels oder FinanceUtile bei Privatleuten aufnehmen können, die damit zu ihren Aktionären werden, auf eine Million Euro festgesetzt. Demgegenüber sind in den USA maximal eine Million Dollar (rund 730 000 Euro) erlaubt, das legt der im vergangenen Herbst verabschiedete »Jobs Act« fest.

Um an das für ihre Ideen benötigte Geld zu kommen, müssen die französischen Start-ups ein Dossier über ein detailliert beschriebenes Projekt bei der Aufsichtsbehörde für die Finanzmärkte AMF (Autorité des marchés financiers) einreichen. Damit gehört Frankreich nach Großbritannien und Italien zu den ersten Ländern in Europa, die von dem durch die Europäische Union erlaubten Crowdfunding Gebrauch machen.

Doch anders als in Großbritannien gibt es in Frankreich keine Mindestvorgabe für die Finanzkraft der Kreditgeber. So handelt es sich bei ihnen nicht nur um vermögende Unternehmer, die einem hoffnungsvollen Neuerer eine Chance geben wollen, sondern auch um ganz gewöhnliche Franzosen, die ihre Ersparnisse nicht den durch Finanzkrise und Skandale ins Gerede gekommenen Banken anvertrauen, sondern für einen guten Zweck einsetzen wollen. »Diese Finanzierung nur für eine Elite zu reservieren, widerspricht unserer Meinung nach dem Geist des Crowdfunding«, erklärt die Ministerin. Darum wurde auch das italienische Prinzip verworfen, wonach nur Projekte zugelassen werden, für die sich bereits ein finanzstarker »Sponsor« verbürgt.

Soviel Entgegenkommen der Regierung wird von den potenziellen Kreditnehmern freudig begrüßt, weckt aber Bedenken bei den Verbraucherschutzverbänden. »Crowd- funding-Projekte sind oft mit erheblichen Risiken verbunden«, gibt Maxime Chipoy von der Organisation UFC-Que Choisir zu bedenken. »An den Banken kann man ja viel kritisieren, aber Risiken erkennen können sie. Wenn die also solche Projekt geprüft und zurückgewiesen haben, dann hatte das sicher manchmal auch seine guten Gründe. Diese Fachkenntnis fehlt den meisten Privatleuten.«

Das Ministerium will das Risiko für die Kreditgeber dadurch klein halten, dass die Internetplattformen verpflichtet werden, ausführliche Informationen über die jeweiligen Start-ups, ihre finanzielle Situation und die Planungen für ihre künftige Entwicklung bereitzustellen.

Nach Angaben der Vereinigung für partnerschaftliche Finanzierung wurden im vergangenen Jahr - trotz der seinerzeit noch schwierigeren äußeren Bedingungen - insgesamt 78 Millionen Euro von privaten Geldgebern eingesammelt und an verschiedene Start-ups weitergegeben. Das war drei Mal so viel Geld wie 2012. Für dieses Verfahren gibt es in Frankreich bereits mehr als 40 Internetplattformen. Einige davon sind auf Kredite von und für private Haushalte spezialisiert. Auch hier hat die Ministerin für einen Abbau der bürokratischen Hürden gesorgt und die Obergrenze für solche Kredite auf 1000 Euro pro Person und Jahr heraufgesetzt.

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