Indianer fordern Skalp zurück
Karl-May-Museum Radebeul erhielt Brief aus Amerika
Die Nachricht kam per Post und völlig unerwartet: Nordamerikanische Ojibwa-Indianer fordern einen Skalp zurück. Sie verlangen den Haarschopf eines Vorfahren, der sich seit mehr als achtzig Jahren im Besitz des Karl-May-Museums in Radebeul bei Dresden befindet. Skalps gehören seit Jahrzehnten zum Bestand dieses Museums, das zu den Sehenswürdigkeiten Sachsens gehört.
Direktorin Claudia Kaulfuß und ihr Kustos Hans Grunert verstehen die Aufregung nicht. »Der Skalp liegt seit Jahren in unserem Depot«, sagt Kaulfuß. Außerdem habe der Künstler Patty Frank, aus dessen Sammlung 1928 das Karl-May-Museum entstand, den Skalp im Jahr 1904 dem Stamm ordentlich abgekauft. »Für 1100 Dollar«, sagt Grunert. »Und dazu noch zwei Flaschen Whiskey und eine Flasche Brandy.« Das Museum nehme das Schreiben aber ernst.
Auch für die Ojibwa-Indianer ist die Sache kein Spaß. »Immer wieder haben uns mächtigere Gesellschaften das Recht genommen, auf unsere eigene Weise zu leben«, schreiben sie in dem Brief an die Museumsdirektorin Kaulfuß. »Diese taktlose Ausstellung stellt einen weiteren Angriff auf unser Volk dar. Die Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen. Aber das Karl-May-Museum kann diese Objekte aus dem Museum entfernen.«
Patty Frank war um 1900 als Künstler durch die Vereinigten Staaten gereist. Und er sei leidenschaftlicher Sammler gewesen, habe unzählige Stücke indianischen Kulturguts mit nach Europa gebracht, erläutert Museumskustos Grunert. »Der Skalp, um den es geht, war für ihn damals so etwas wie eine Blaue Mauritius für einen Briefmarkensammler.«
Seit dem Jahr 1995 arbeitet Grunert in dem Museum und gestaltet die Ausstellungen. Er ist ratlos. Es sei doch gerade nicht die Absicht des Museums, der Kultur der Indianer respektlos gegenüberzutreten. Tausende Besucher hätten das Museum besucht. »Unsere Bücher sind voll mit positivem Lob - auch Indianer, die hier waren, sind dankbar für die Ausstellung«, sagt er.
Es gebe mittlerweile sogar Forderungen, alle Skalps zu entfernen. »Dann können wir das Museum hier ausräumen«, sagt Grunert. »Sie sehen bei uns überall Skalps, in Hemden eingenäht, auf Rahmen gespannt - die gehörten zur indianischen Kultur damals einfach dazu, so wie man sich bei uns in Europa Orden an die Brust heftete.« Erst die Weißen hätten aus dem Kult um die Skalps damals ein Geschäft gemacht, sagt Grunert. »Auch das kann jeder Besucher bei uns erfahren.« Und mit dieser Geschichte gehe man durchaus kritisch um.
Kaulfuß steht die Aufregung ins Gesicht geschrieben. Überhaupt komme das alles gerade zur Unzeit, sagt sie. Denn am 30. März soll eine Sonderausstellung beginnen über Klara May, Karl Mays zweite Frau, die das Museum im Jahr 1928 gegründet hatte. Patty Frank wurde damals erster Museumsdirektor. Damals kamen die Skalps, die er aus den USA mitgebracht hatte, in den Museumsbestand.
»Wenn es nun wirklich zu Rückforderungen kommen sollte, dann würde das auf einer anderen Ebene entschieden werden«, sagt Kaulfuß. Ansonsten hält man in Radebeul die Füße still. Und überhaupt: Der Medienrummel um den Skalp habe ja auch etwas Gutes, meint Grunert. »Unser Werbebudget für dieses Jahr können wir jetzt um die Hälfte kürzen.« dpa/nd
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