Noch weit von finanzieller Normalität entfernt

Der griechische Staat konnte erstmals seit Krisenbeginn wieder Anleihen am privaten Kapitalmarkt platzieren

Die Regierung in Athen und die EU-Partner sind glücklich, dass private Anleger am Donnerstag bei griechischen Staatsanleihen zugriffen.

Fünfjährige Anleihen im Umfang von drei Milliarden Euro zum Zinssatz von 4,75 Prozent per annum - das sind die nackten Zahlen zur ersten Platzierung griechischer Staatspapiere bei privaten Anlegern seit rund vier Jahren. Die Regierung in Athen mochte es lieber lieber euphorisch: »Das Ereignis des Tages ist die feierliche Rückkehr Griechenlands an die Märkte«, sagte der sozialdemokratische Vizeministerpräsident Evangelos Venizelos am Donnerstag.

Grund zu etwas Freude gibt es tatsächlich. Aus Sicht des Schuldners ist eine Anleihenplatzierung dann ein Erfolg, wenn alle Papiere zu möglichst niedrigem Zinssatz über den Tisch gehen. Beides war jetzt der Fall: Rund drei Milliarden Euro nahm Athen für die Staatstitel ein - eine halbe Milliarde mehr als ursprünglich geplant. Das lag daran, dass Gebote über 20 Milliarden Euro eingegangen sein sollen. Dank der hohen Nachfrage liegt der Zinssatz unter den 5,3 Prozent, die Athen als Zielmarke ausgegeben hatte. Die Rendite für die meist institutionellen Investoren - also Banken, Fonds und Versicherungen - liegt bei 4,95 Prozent.

Im April 2010 hatte Griechenlands Finanzkrise mit einer fehlgeschlagenen Anleihenplatzierung im Wert von einer Milliarde Euro begonnen - trotz hoher Zinsen kamen Angebote für lediglich 390 Millionen zusammen. Ohne frisches Geld konnten jedoch auslaufende Altanleihen nicht zurückgezahlt werden. Griechenland wäre in den Bankrott gerutscht - mit ungewissem Ausgang. Daher richtete Athen ein Hilfegesuch an die Euro-Partner und den Internationalen Währungsfonds (IWF). Es folgten zwei Kreditpakete im Umfang von zusammen 240 Milliarden Euro. Noch sind nicht alle Mittel abgerufen.

Daher verwies die linke Oppositionspartei SYRIZA auf deutlich niedrigere Zinsen der Rettungsschirmkredite und sprach von der »teuersten Wahlkampagne, bezahlt mit öffentlichen Mitteln«. Parteichef Alexis Tsipras fordert angesichts einer hohen Gesamtverschuldung von 175 Prozent der Wirtschaftsleistung einen zweiten Schuldenschnitt.

Der freilich würde - anders als beim 100-Milliarden-Euro-»Haircut« 2012 - vor allem die öffentlichen Gläubiger treffen. Das wollen die EU-Partner natürlich vermeiden - insofern ist man vor allem hier erfreut über die geglückte Generalprobe für die Rückkehr an die Märkte.

Aber auch hier kann man die Augen nicht davor verschließen, dass Griechenland noch sehr weit von finanzieller Normalität entfernt ist. Dies verraten die nackten Zahlen ebenfalls: Die Zinsen vergleichbarer spanischer Papiere sind aktuell nur etwa halb so hoch wie bei den jetzt platzierten griechischen Anleihen. Und bei deutschen Bundesobligationen mit fünf Jahren Laufzeit liegt die Rendite bei weit unter einem Prozent.

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