Ein Baumeister wird wiederentdeckt

Exzentrisch, aber virtuos: Das Berliner Bode-Museum zeigt eine grandiose Ausstellung über Andreas Schlüter

  • Roland Mischke
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin erinnert an seinen genialen Baumeister. Im Bode-Museum an der Spitze der Berliner Museumsinsel wird Andreas Schlüter (1659 bis 1714) mit einer großen Schau geehrt. Es ist der absolut am besten geeignete Platz: Das Bode-Museum mit seiner zur Spree hin gerundeten Fassade und der kolossalen Kuppel, 1904 eröffnet, wurde auf Anweisung von Kaiser Wilhelm II. in den »schlüterschen Formen« errichtet.

Diese Ausstellung hat einen Hintergrund. Das Berliner Stadtschloss wird bis 2018 gebaut, es wird den Namen Humboldt-Forum tragen. Das in den 1950er Jahren gesprengte Schloss war Schlüters architektonisches Hauptwerk. Das Betonskelett der Rekonstruktion steht schon bis zum zweiten Stock, nun werden die meterdicken Außenwände aufgemauert. Wie zu Schlüters Zeit. Damit wird er, der fast schon vergessen war, als bedeutendster Barockkünstler seiner Zeit nördlich der Alpen aus der Vergessenheit geholt.

Schlüter stand stets im Schatten von Schinkel, Schadow und Rauch, die nach ihm kamen. Aber nun wird er geehrt als Visionär, der das karge Berlin mit Mut und Weitsicht zu einer Königsresidenz entwickelte. Seine Pläne waren von unglaublicher Kühnheit. So wollte er neben dem Schloss den Münzturm errichten, das höchste Gebäude Europas. Er versuchte alles, um das Projekt zu realisieren, scheiterte aber am weichen Baugrund. Als der Turm einbrach, wurde Schlüter von König Friedrich I. unehrenhaft aus dem Dienst bei Hofe entlassen. Berlin ist auf märkischen Sand gebaut.

Die Ausstellungsmacher belegen nicht die Münzturm-Pläne - Schlüter, eine Ausnahmefigur der preußischen und Berliner Kunstgeschichte, ist immer noch mit einem Makel belegt. In diesem Jahr steht sein 300. Todestag an (23. Juni), aber wichtiger ist, dass der Dreh- und Angelpunkt in der Mitte Berlins, das Schloss, auf ihn verweist. Auch ein Teil der kolossalen Formensprache des barocken Schlüterhofes wird in vier Jahren zu besichtigen sein. Völlig zu Recht weisen riesige Transparente am Bode-Museum darauf hin, dass es in der Schau um den »Schlossbaumeister Andreas Schlüter« geht. Und wer die weiträumige Eingangshalle des Museums betritt, steht vor der Kopie eines berühmten Standbildes des Großen Kurfürsten, das lange auf einer Brücke zwischen Rathaus und Schloss stand. Sein Erschaffer war Schlüter.

Wer durch Berlin flaniert, stößt vielerorts auf ihn. Der allegorienreiche Prunksarkophag des Preußenkönigs Friedrich I. und seiner Frau Sophie Charlotte im Dom - ein Schlüterentwurf. In den Grüften Berlins gibt es nichts Vergleichbares. Das Zeughaus Unter den Linden, in dem heute das Deutsche Historische Museum residiert - Schlüters Idee. Die Marienkirche schräg gegenüber vom Roten Rathaus - die Kanzel mit Dach von Schlüter. Die Ausstattung im Schloss Köpenick - Stuckdecke, Blattranken, anmutige Figuren, alles von Schlüter. Die Musterfassade als Darstellung der Fassadengestaltung für das Humboldt-Forum an der heutigen Baustelle - Schlüters Barock. »So wie nun Schlüter voll von Erfindungen war«, heißt es 1768 in einer Würdigung des Schlossbaumeisters. Wie konnte er nur zum großen Unbekannten werden?

Nachdem er in Berlin nicht mehr arbeiten konnte, rief ihn Zar Peter I. nach St. Petersburg. Schlüter war nicht nur Architekt, sondern hatte auch sinnenfreudig eine handwerkliche Tradition wiederbegründet. Im Bode-Museum sind Beispiele zu sehen: Skulpturen, Kriegerköpfe in Gips, Zeichnungen, Radierungen und vor allem das Schlosssilber in glänzender Pracht. Originalteile werden Kopien gegenübergestellt. Eine Vorausschau auf die baldige Wiederkehr »schlüterscher Formen«.

»Andreas Schlüter und das barocke Berlin«: Bode-Museum, Am Kupfergruben, 10117 Berlin, bis 13. Juli.

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