Der Schriftsteller Gabriel García Márquez ist tot

Sprachgewaltiger Literat, linker Kommentator: Der Literaturnobelpreisträger und Autor von »Hundert Jahre Einsamkeit« starb im Alter von 87 Jahren

  • Lesedauer: 5 Min.

Mexiko-Stadt. Sprachgewaltiger Literaturstar und scharfzüngiger Politaktivist: Mit Gabriel García Márquez hat die Welt einen der wichtigsten Autoren und Intellektuellen der Gegenwart verloren. Der kolumbianische Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez ist tot. Er starb am Donnerstag im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Mexiko-Stadt, wie die staatliche Kulturbehörde Conaculta bestätigte. Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos zeigte sich schockiert. »Tausend Jahre Einsamkeit und Trauer angesichts des Todes des größten Kolumbianers aller Zeiten«, schrieb der Staatschef auf Twitter. »Solidarität und Beileid für die Familie.«

García Márquez galt als einer der bedeutendsten spanischsprachigen Schriftsteller der Literaturgeschichte. 1982 wurde der Autor von »Hundert Jahre Einsamkeit« und »Die Liebe in den Zeiten der Cholera« mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Mit seiner opulenten und bildgewaltigen Sprache machte er den Magischen Realismus als literarischen Stil populär. Bevor er sich der Literatur zuwandte, arbeitete er als Journalist. Auch später kommentierte der bekennende Linke und Freund von Fidel Castro das Weltgeschehen immer wieder in Zeitungsartikeln. 2007 schloss sich Gabriel García Marquez der Forderung zahlreicher Prominenter an, die in den USA inhaftierten Miami Five freizulassen, Kubaner, denen »Konspiration zu Spionage und zum Mord« vorgeworfen wurde.

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García Márquez arbeitete in den 1950er Jahren als Korrespondent in Europa, nach der kubanischen Revolution für die Presseagentur »Prensa Latina«. In den 1970er Jahren schrieb er für die linke kolumbianische Wochenzeitung »Alternativa«. Auf Kuba gründete er eine Filmakademie, im kolumbianischen Cartagena eine Journalistenschule. Angesichts des »wissenschaftlich möglichen« Untergangs der Menschheit, fordert García Márquez in seiner Dankesrede für den Literaturnobelpreis 1982 »eine neue, umwerfende Utopie des Lebens«. Er plädierte gegenüber dem Westen, mehr Verständnis für die politischen Versuche in Lateinamerika zu zeigen, dort eigene Wege aus Armut und Verzweiflung zu finden.

In einem Text zu seinem 85. Geburtstag schrieb Gerhard Dilger in »neues deutschland«, »mit dem Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar setzte er sich ebenso auseinander wie mit der Drogenmafia in Kolumbien, dazwischen schrieb er Kurzgeschichten oder Romane. Seine Faszination für die Macht, führte ihn schließlich in die Nähe von Staatsmännern. Hinter den Kulissen setzte er sich für politische Gefangene in Kuba ein oder war ein Mittelsmann zu Guerilleros in El Salvador oder Kolumbien.« Mario Vargas Llosa, der einst sein Freund gewesen war, nannte ihn später »Höfling Castros«.

Der peruanische Literaturnobelpreisträger zeigte sich nun betroffen vom Tod García Márquez'. »Ein großer Schriftsteller ist gestorben«, sagte Vargas Llosa am Donnerstag der Zeitung »El Comercio«. »Seine Romane werden ihn überleben und überall auf der Welt weiterhin Leser gewinnen.« García Márquez und Vargas Llosa pflegten zu Lebzeiten ein wechselhaftes Verhältnis. Die beiden Nobelpreisträger waren einst enge Freunde und verhalfen der lateinamerikanischen Literatur gemeinsam zu Weltruhm. Später überwarfen sich die Kollegen allerdings, bei einer Filmvorführung 1976 in Mexiko-Stadt kam er sogar zu einer Schlägerei zwischen beiden.

García Márquez hinterlässt seine Ehefrau Mercedes Barcha und seine Söhne Rodrigo und Gonzalo. Mexiko will des gestorbenen Literaturnobelpreisträgers mit einer nationalen Trauerfeier am kommenden Montag im Palast der Schönen Künste in Mexiko-Stadt gedenken, kündigte der Präsident der staatlichen Kulturbehörde Conaculta, Rafael Tovar y de Teresa, an. Die Familie wünschte sich inzwischen eine Beisetzung in Kolumbien. »Gabito« komme aus Kolumbien. »Sie müssen ihn hierher bringen«, sagte seine Schwester Aída am Donnerstag Reportern in Barranquilla. Ihr Bruder sei ein einfacher und demütiger Mensch mit einem großen Herz gewesen, sagte Aída. »Er war der große Bruder für uns, nachdem unsere Eltern gestorben sind. Er hat uns nie etwas verwehrt. Er war sehr gut zu uns.« Aída García Márquez veröffentlichte im vergangenen Jahr ein Buch mit Familiengeschichten über ihren berühmten Bruder.

Bereits kurz nach der Nachricht vom Tod des Schriftstellers trafen aus der ganzen Welt Beileidsbekundungen in Mexiko ein. Der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa bedauerte den Tod seines einstigen Freundes und späteren Rivalen. »Ein großer Schriftsteller ist gestorben«, sagte er der Zeitung »El Comercio«. Auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, Mexikos Staatschef Enrique Peña Nieto sowie die kolumbianischen Sänger Shakira und Juanes sandten Kondolenzadressen. Der mexikanische Dichter und ehemalige Präsident des internationalen PEN-Clubs, Homero Aridjis, sagte dpa: »Mit García Márquez stirbt der letzte wichtige Vertreter des Magischen Realismus'.«

García Márquez galt als einer der bedeutendsten spanischsprachigen Schriftsteller der Literaturgeschichte. 1982 wurde der Autor von »Hundert Jahre Einsamkeit« und »Die Liebe in den Zeiten der Cholera« mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Mit seiner opulenten und bildgewaltigen Sprache machte er den Magischen Realismus als literarischen Stil populär.

Wegen einer schweren Lungenentzündung war García Márquez Anfang April rund eine Woche lang in einem Krankenhaus in Mexiko-Stadt behandelt worden. Seine Familie sprach von einer Vorsichtsmaßnahme. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums musste er allerdings auch nach seiner Entlassung noch künstlich beatmet werden. Sein Arzt hatte den Zustand des 87-Jährigen zuletzt als kritisch beschrieben. »Er ist bei schwacher Gesundheit«, sagte Jorge Oseguera am Mittwoch dem kolumbianischen Radiosender Caracol. »Angesichts seines Alters, seiner jüngsten Probleme und seiner Krankengeschichte nicht ungewöhnlich.«

García Márquez wurde am 6. März 1927 in Aracataca in der kolumbianischen Karibikregion geboren. Die Ortschaft gilt als Vorbild für das Dorf Macondo, dem er in »Hundert Jahre Einsamkeit« ein Denkmal setzte. Seit Jahrzehnten lebte García Márquez in Mexiko-Stadt. Zuletzt war er an seinem Geburtstag Anfang März öffentlich aufgetreten. Vor seinem Haus begrüßte er Fotografen und Journalisten, äußerte sich allerdings nicht. Die Reporter sangen ihm ein Ständchen. dpa/nd

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