Jetzt schlägt’s Freihandel

China und die die Schweiz setzen bilaterales Abkommen in Kraft - Eidgenossen erhoffen sich Wettbewerbsvorteile gegenüber EU-Konkurrenten

  • Thomas Burmeister, Basel
  • Lesedauer: 3 Min.
Chinesische Billigware bereitet vielen Unternehmen in der EU Sorge. In der Schweiz hingegen sieht man im ungehinderten Handel mit dem Reich der Mitte vor allem Vorteile.

Die Ortswahl wirkt symbolisch: In den Basler Rheinhafen - also in Sichtweite zur deutschen und zur französischen EU-Außengrenze - hatte die Schweizer Regierung eingeladen, um mit Vertretern aus Peking am Dienstag das Freihandelsabkommen mit China feierlich in Kraft zu setzen. Seit 1. Juli fallen in der Alpenrepublik Zölle für Industrieexporte aus dem Reich der Mitte weg. Zugleich beginnt dort der Abbau von Handelsschranken für Schweizer Produkte. Unternehmer in der Eidgenossenschaft klatschen vor Freude in die Hände.

Während der britische Premier David Cameron vergeblich bei der EU für eine rasche Aufnahme von Verhandlungen mit Peking über ein Freihandelsabkommen plädierte, hat die Schweiz Nägel mit Köpfen gemacht. Das Kalkül: »Wenn sich Schweizer Firmen vor ihren Konkurrenten aus der EU in China positionieren können, haben sie einen klaren Wettbewerbsvorteil«, sagte Daniel Küng, Chef der Außenwirtschaftsorganisation SGE, der »NZZ am Sonntag«.

Eine SGE-Studie geht davon aus, dass Schweizer Exporte nach China nun jährlich um fünf Prozent wachsen. Die Zolleinsparungen bei Uhren, Medikamenten, Chemieprodukten, Präzisionsinstrumenten oder Schokolade würden sich bis 2028 auf etwa 5,8 Milliarden Franken (4,8 Milliarden Euro) belaufen. Bereits 2015 könnten Schweizer Exporteure mehr als 100 Millionen Franken einsparen.

China ist für die Eidgenossen der drittwichtigste Handelspartner: 57 Prozent des Schweizer Exports gehen in die EU, elf Prozent in die USA, bislang nur acht Prozent nach China und Hongkong. Aber der Anteil wächst stetig und das Potenzial scheint riesig: Zwar verfügen viele der rund acht Millionen Schweizer über eine hohe Kaufkraft. Doch angesichts des rasch wachsenden Marktes in China mit seinen nahezu 1,4 Milliarden Menschen ist klar, wer am meisten vom Freihandel profitieren dürfte.

Angesichts dessen ließen sich die Berner Unterhändler auf ein asymmetrisches Abkommen ein: China kann seine Waren nun zollfrei in die Alpenrepublik liefern - Ausnahmen gibt es nur zum Schutz der Schweizer Landwirte. Hingegen erfolgt der Abbau von Handelsschranken für Schweizer Produkte nur stufenweise, bei einigen Erzeugnissen gar über 15 Jahre. Dennoch sind die finanziellen Vorteile der Chinesen im Vergleich kleiner, da die Schweiz bisher viel geringe Importzölle erhebt.

Zudem ist die Schweizer Politik strategisch angelegt: Bern hat Freihandelsabkommen mit fast 40 Ländern abgeschlossen, weitere - etwa mit Indien - sollen hinzukommen. Sie könnten helfen, Nachteile auszugleichen, die in der Schweiz für den Fall des Zustandekommens der Freihandelszone EU-USA befürchtet werden.

Für China ist das erste Abkommen dieser Art mit einem G20-Staat ein Prestigeprojekt, von dem man sich Signalwirkung erhofft. Größeres Ziel ist ein Abkommen mit dem wichtigsten Handelspartner EU. Verhandlungen darüber liegen aber in weiter Ferne. Vorher will die EU-Kommission ein Investorenschutzabkommen abschließen. Anders als Großbritannien oder Deutschland fürchten zudem einige EU-Staaten, im Falle eines Freihandelsabkommens von chinesischen Billigprodukten überschwemmt zu werden, ohne selbst von stärkeren Exporten profitieren zu können. dpa/nd

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