Berggruen reicht Karstadt weiter

Immobilieninvestor Signa übernimmt Kaufhauskette komplett - ver.di fordert Tariflöhne und Investitionen

Karstadt bekommt einen neuen Eigentümer. Die Arbeitnehmervertreter erwarten Mitsprache bei einem Zukunftskonzept.

Für die noch 17 000 Karstadt-Beschäftigten beginnt Anfang kommender Woche eine neue Ära: Die Warenhauskette mit ihren 83 Filialen wird komplett vom österreichischen Immobilieninvestor René Benko übernommen. Wie dessen Signa-Holding in einer Erklärung am Freitag weiter mitteilte, zieht sich der bisherige Eigentümer, die Nicolas-Berggruen-Holdings, aus den Unternehmen Karstadt Premium und Karstadt Sports sowie aus den einzelnen Immobilien zurück. Das Kartellamt müsse der Übernahme noch zustimmen.

Berggruen hatte 2010 die Kaufhauskette im Zuge der Pleite ihres Mutterkonzerns Arcandor übernommen. Der Investor, der ein soziales Image pflegte, wurde als Retter der 130 Jahre alten Traditionsfirma gefeiert, auch Gewerkschaft und Betriebsrat hegten große Hoffnung. Doch die Euphorie verflog schnell, als die Karstadt Warenhaus GmbH weiter Verluste schrieb, 2000 Arbeitsplätze abgebaut wurden und die Beschäftigten Lohneinbußen hinnehmen mussten. Statt notwenige Investitionen zu tätigen, verkaufte Berggruen vor rund einem Jahr die Mehrheit an den Premiumhäusern wie dem Berliner KaDeWe und an den Sportfilialen für 300 Millionen Euro an Signa. Für die jetzige Komplettübernahme fließt kein weiterer Kaufpreis.

Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt erwartet von dem neuen Investor, »die nötigen Mittel bereitzustellen, damit die Karstadt-Häuser überleben können«. Die Beschäftigten müssten in die Erarbeitung eines nachhaltigen Zukunftskonzepts eingebunden werden. Sie wüssten nämlich am besten, was die Kunden wünschten. Auch die Gewerkschaft ver.di fordert Investitionen vom neuen Eigentümer. »Es muss darum gehen, die Arbeitsplätze bei Karstadt zu erhalten und mit dem Schlingerkurs in den Managementkonzepten aufzuhören«, erklärte Arno Peukes, Verhandlungsführer der Gewerkschaft bei Karstadt, gegenüber »nd«. »Außerdem muss Karstadt in die Tarifbindung des Einzelhandels zurückkehren.«

Befürchtungen, dass Signa vor allem an der Verwertung der Immobilien interessiert sein könnte, versuchte der Investor zu zerstreuen: Man habe bereits einen dreistelligen Millionenbetrag in das Unternehmen gesteckt und die Warenkreditversicherung für die Kaufhäuser um ein Jahr verlängert. Details über die versprochene »tragfähige Sanierungsstrategie« werden wohl zunächst nicht zu erfahren sein. Laut Signa-Geschäftsführer Wolfram Keil muss Karstadt »raus aus der zermürbenden öffentlichen Diskussion«.

Damit dürfte man sich wohl auch Einmischung von außen verbitten. Ein Sprecher von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erklärte, die Regierung beobachte die Entwicklung, sehe für »operatives Handeln« aber keinen Anlass.

Das Schicksal von Karstadt ist ein Politikum, vor allem in den betroffenen Kommunen. Schon die Hertie-Pleite hatte vielerorts Brachen entstehen lassen, die eine Verödung der Innenstädte nach sich zog.

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