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Ein nervender Trainer und viel Obst

Marco Koch führten viele Umstellungen im vergangenen Jahr zum ersehnten EM-Gold

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 4 Min.
Marco Koch ist der neue deutsche Vorzeigeschwimmer. Dabei wird er nicht von Goldträumen angetrieben, sondern von der detailbesessenen Suche nach Perfektion.

Dass Marco Koch den deutschen Beckenschwimmern bei den Heim-Europameisterschaften in Berlin die erste Goldmedaille bescheren würde, kam für den Chef-Bundestrainer wenig überraschend. Henning Lambertz hatte schon zuvor eingefordert, dass seine Athleten wieder ganzjährig schnell schwimmen müssten, und nicht nur an einem Tag im Jahr - »so wie Marco Koch« eben, meinte Lambertz. Der Darmstädter Brustschwimmer ließ den Bundestrainer nun netterweise Recht behalten.

Koch ist Vielschwimmer. Das heißt nicht, dass er viele Starts bei Großereignissen macht. Oft sind es hier nur die 200 Meter Brust, die er am Donnerstagabend in der deutschen Rekordzeit von 2:07,47 Minuten gewann, sowie ein oder zwei Staffeln. Koch ist vielmehr Dauergast bei Weltcups und anderen Meetings rund um die Welt, wenn die Kollegen lieber monatelang zu Hause trainieren. »Es hilft, das ganze Jahr über auf hohem Niveau zu sein. So weiß ich, dass ich auch an einem nicht so guten Tag 2:08 Minuten schwimmen kann. Das Training richtete sich zwar auf die EM aus, aber das heißt nicht, dass ich ansonsten langsam schwimmen will«, sagte Koch am Tag nach seinem Sieg.

Die Goldmedaille steckte da immer noch in seinem Rucksack, in den er sie nach der Siegerehrung gesteckt hatte und wo sie wohl noch eine Weile bleiben wird. »Die WM-Silbermedaille aus dem letzten Jahr liegt auch noch in der Kiste, die ich in Barcelona dazu bekam. Ich bin keiner, der sich so etwas übers Bett hängt«, sagte Koch, der sich lieber in Gedanken an die Erfolge erinnert.

Das tat er auch am Freitagmorgen, als er sein Goldrennen noch einmal durchging: »Ich habe mich lange auf die Taktik konzentriert: die ersten 100 Meter entspannt bleiben, auf der dritten Bahn angreifen und auf der vierten versuchen, irgendwie anzukommen. Nach der letzten Wende und dem guten Tauchzug dachte ich: Boah, das könnte echt klappen.« Tat es auch - obwohl der Brite Ross Murdoch immer näher gekommen war - Kochs cleverem Anschlag sei Dank. »Wir haben wochenlang daran gearbeitet, lieber noch einen extra Zug zu machen, anstatt lang zur Wand zu gleiten, wenn der Anschlag nicht passt. Mein Trainer hat mich vor jedem Rennen daran erinnert, was mich super genervt hat. Aber es hat anscheinend doch etwas gebracht«, musste Koch zugeben.

Der angesprochene Alexander Kreisel war trotz des Titels und einer Zeit, die keine halbe Sekunde vom Weltrekord entfernt lag, immer noch nicht ganz zufrieden. »Er meinte, die erste Bahn war noch zu ruhig, die zweite und dritte waren gut, aber die letzte war nix«, berichtete Koch. »Ich glaube also, wir sind noch weit entfernt vom perfekten Rennen.«

Der Wunsch nach Perfektion hatte Koch den nötigen Schub beschert - nach dem Gewinn von WM-Silber in Barcelona. Er sucht stets Details, bei denen er ein paar Zehntel gewinnen kann, auch im medizinischen Bereich. So stellte er bei einem Bluttest im September fest, »dass ich auf sehr viele Dinge allergisch reagiere, die ich täglich gegessen habe«. Alle glutenhaltigen Produkte wurden danach vom Speiseplan verbannt, ebenso alle tierischen außer Fleisch. Keine Eier, keine Milch, keine Salamipizza mehr. Nur noch Reis, Kartoffeln, viel Gemüse »und meistens ein Batzen Fleisch dazu«, so Koch. Fünf Kilogramm hat er seitdem abgenommen.

»Es war ja auch grotesk: Da trainierst du täglich sechs Stunden, und dann frisst du den ganzen Tag nur Scheiße«, erinnert sich Koch an den Entschluss zum Wandel. »Das ganze Fast Food und die Süßigkeiten habe ich jetzt durch Obst ersetzt, weil ich mir dachte: Wenn du dein ganzes Leben danach ausrichtest, solltest du das auch zu 100 Prozent machen.« Nach der Umstellung merkte er, dass er sich besser fühlte, schneller regenerierte und härter trainieren konnte. »Das war schon sehr beeindruckend.«

In Berlin schwamm Koch nun als erster Deutscher unter 2:08 Minuten, und das sei ihm noch wichtiger als Gold, versicherte er. »Ich kann nur meine Zeiten beeinflussen. Wenn andere noch einen besseren Tag haben, wäre es dumm, mit einem deutschen Rekord unzufrieden zu sein«, beschreibt er seine Grundeinstellung. Natürlich würde er gern Olympiasieger werden, »aber mein Antrieb ist, ständig besser werden zu wollen. Am Ende hoffe ich, dass das reicht.«

Am Montag werden nur vier von den 28 deutschen EM-Schwimmern direkt zu den Weltcups nach Dubai und Doha fliegen. Koch ist natürlich dabei. »Ich habe kein Bedürfnis nach einer Pause«, sagt er. »Ich will nur, dass es einfach so weitergeht.«

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