Ein überirdisches Lichtgefäß

»Mission Postmoderne« - Das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main erinnert an Heinrich Klotz

  • Rudolf Walther
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine zweite Moderne und nicht eine ein Bruch mit ihr, so sah der Architekt Heinrich Klotz seinen Zugang zu den Epochen. In Frankfurt kann man nun betrachten wie er dieses Konzept umgesetzt hat.
Martin Kippenberger: The Modern House of Believing or Not, 1985 (Öl auf Leinwand, 255 x 180 cm)
Martin Kippenberger: The Modern House of Believing or Not, 1985 (Öl auf Leinwand, 255 x 180 cm)

Zum 30. Jahrestag der Gründung des »Deutschen Architekturmuseums« (DAM) in Frankfurt am Main und zu Ehren seines ersten Direktors Heinrich Klotz (1935-1999) zeigt das Museum eine Ausstellung zur Geschichte und Konzeption des Hauses. Zum ersten Mal zugänglich werden auch Transkriptionen von Tonbandaufzeichnungen, die Klotz selbst in der Gründungsphase anfertigte. Sie sind im Katalog aus Platzgründen um etwa ein Drittel gekürzt abgedruckt und dokumentieren die Entstehung der sich in den 70er Jahren herausbildenden architektonischen Postmoderne aus der Sicht eines unmittelbar Beteiligten. Klotz’ Ziel war es, die deutsche Architektur an internationale Trends anzuschließen. Für seine temperamentvollen Interventionen - etwa 1975 mit dem Referat »Traditionalismus und Trivialarchitektur. Der Werkbund und die röhrenden Hirsche« - löste er starken Widerspruch aus, weil er für den Vorrang der Form vor einem sterilen Funktionalismus plädierte.

Das gilt auch für das zu gründende Architekturmuseum als erstes Haus am Frankfurter Museumsufer, das die Direktoren anderer Frankfurter Museen als Bedrohung verstanden und das die Presse als überflüssig ablehnte. Trotzdem wurde der Museumsbau, für den eine monumentale Doppelvilla aus der Kaiserzeit völlig entkernt wurde, zum Fanal. In die Haushülle hinein baute der Architekt Oswald Maria Ungers mit recht brachialen Mitteln ein modernes Haus im Haus und ergänzte es an der Rückfront durch ein Glashaus, das ein Gewächshaus imitiert. Das Licht fällt im Haupthaus durch das Dach bis ins Untergeschoss. Klotz sprach von Ungers Bau als einem »beinahe überirdischen Lichtgefäß«, das jedoch jedem Ausstellungsmacher große Schwierigkeiten bereitet.

Der Terminus »Postmoderne« für spielerisch formverliebtes und funktionsverachtendes Bauen blieb zunächst umstritten, weil nicht wenige Architekten und Kunsthistoriker dahinter eine nostalgische Rückbesinnung und eine retrograd orientierte Mode vermuteten. Im Gegensatz zu den meisten Befürwortern einer Postmoderne in den Geistes- und Sozialwissenschaften verstand der Kunsthistoriker Klotz die Postmoderne in der Architektur nicht als Bruch mit der Moderne. Er sprach selbst lieber von »zweiter Moderne« oder verwendete die beiden Begriffe synonym. Der hervorragende Katalog zur Ausstellung dokumentiert diese Debatten um die Postmoderne akkurat.

Auch die erste Ausstellung des DAM (1984) unter dem Titel »Revision der Moderne. Postmoderne Architektur 1960-1980« meinte keine Überwindung der Moderne, sondern wörtlich eine »Re-vision«, eine Wiederbesichtigung oder Bestandsaufnahme der Moderne. Die Ausstellung ging nach Paris und dort wählte man einen weniger missverständlichen Titel für die Ausstellung: »Nouveaux Plaisirs d’Architecture« (»Neue Architekturfreuden«).

Die Frankfurter Ausstellung von 1984 präsentierte Werke von Architekten, die der Moderne stark verpflichtet waren: Rem Kohlhaas, Hans Hollein, Richard Meier, Frank Gehry, Aldo Rossi ... Klotz’ Kritik an dem, was er »Betonwirtschaftsfunktionalismus« nannte, war jedoch nicht nur formal-ästhetisch, sondern hatte auch eine urbanistisch-politische Dimension. Im Katalog zur Ausstellung schrieb Klotz damals: »Die Abstraktion als leitendes Dogma der Moderne führt zu einer Zweiteilung unserer Umwelt, zum weißen oder gläsernen Kasten, oder aber zum Betondenkmal, nichtssagend und wuchtig.«

Als Kunsthistoriker und Museumsdirektor förderte und sammelte Klotz die Architekturmalerei aus Künstlerateliers genauso wie Architekturzeichnungen, Entwürfe, Skizzenbücher und Modelle aus den Architekturbüros. Im Stil einer Wunderkammer aus der Barockzeit präsentiert die Jubiläumsausstellung eine vom Fußboden bis unter die Decke gefüllte Installation der Sammlung, die Klotz begründete. Die Vielfalt ist beachtlich. Martin Kippenbergers Ölgemälde »The Modern House of Believing or Not« (1985) war eines der ersten Werke, die Klotz für das Museum kaufte. Das allererste Werk war Christos Skizze des verhüllten Reichstags. In der Wunderkammer steht auch ein Stuhl des Kunsthandwerkers Koloman Moser (1848-1918) aus dem Jahr 1903 oder ein Sofa aus dem Haushalt des Berliner Bauassessors Hans-Jürgen Wulfes. Auf dem Sofa soll der bauwütige Hermann Göring öfter gesessen haben. Mit solchen Stücken setzen sich Klotz und Oliver Elser, der Kurator der aktuellen Ausstellung, dem Verdacht aus, Schrullen zu pflegen.

Mission Postmoderne. Heinrich Klotz und die Wunderkammer DAM. Bis 19. Oktober. Katalog 29 €.

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