Werner Schinko - und das so Liebenswürdige

  • Armin Jähne
  • Lesedauer: 3 Min.

Eben erst ist bei Beltz der DDR-Kinderbuchklassiker »Der Handschuh« von Wilfried Völker neu erschienen. Im Jahr zuvor wurde Otfried Preußlers »Wasserschratt und Tatzenkatz« ins Russische und Chinesische übersetzt. Beide Bücher sind von Werner Schinko illustriert worden, in der ihm unnachahmlichen Weise. Früh schon hat sich das Spezifische seines grafischen Schaffens herausgebildet, die Leichtigkeit der Zeichnung, die an Max Schwimmer erinnert, die originellen Einfälle, die auf das Wesentliche reduzierte Erzählkraft der Bilder, ob nun als Holzstich, Holz- oder Linolschnitt, ob als Aquarell oder Siebdruck.

Immer bringt er ohne Umschweife seine künstlerische Aussage auf den Punkt. Das erklärt wohl auch, neben der technischen Meisterschaft, die Beliebtheit seiner Illustrationen. Wer denkt da nicht an Werner Lindemanns »Die Schule macht die Türen auf« (1976), die Volksmärchen aus Vorpommern (1983), das wiederholt aufgelegte Kinderbüchlein »Wer wohnt in diesem Haus«, an Jurij Brezans »Brunnen der Jahre« (2001) oder das jährlich erscheinende »Oberlausitzer Hausbuch«, in dem Schinko mit großer Stetigkeit präsent ist.

36 Jahre lang, Monat für Monat, kam das Titelblatt der Zeitschrift »Die Unterstufe«, zuletzt als »Grundschulunterricht«, aus Schinkos Werkstatt. Aber nicht allein die Buchillustrationen sorgten für die Bekanntheit des Meisters, sondern auch die Vielzahl an grafischen Blättern und Bildfolgen, so die frühe, realistische Holzschnittserie »Ein Arbeitstag in meiner Stadt« (1955).

1991 gestaltete er in Worpswede einen Teil jener visionären Wandbilder nach, die Heinrich Vogeler für das Kinderheim der Roten Hilfe gemalt hatte. Die Barkenhoff-Fresken mit Geschick und sozialem Einfühlungsvermögen zurück in die Gegenwart geholt zu haben, ist ein historisches Verdienst Schinkos. Inzwischen hat er auch mit Stadtpanoramen aus der Vogelperspektive, u.a. von Röbel, Worpswede und Schwerin, Neues geleistet.

Was Schinkos grafisches Werk so liebenswert macht, ist das hohe Maß an ästhetischer Feinfühligkeit. Aus ihm spricht eine große Liebe zum Menschen, zur Natur, den Tieren und Pflanzen. Er hat wohl keinen Vertreter der heimischen Fauna außer Acht gelassen. Eule, Fuchs, Igel, Eichhörnchen, selbst die nicht unbedingt angenehme Krähe, sind mit lustvoller Sympathie dargestellt. Überhaupt ist in Schinkos Grafiken ein stiller Frohsinn zu spüren, blitzen in ihnen der Schalk und - bei allem didaktischen Hintersinn - ein vergnügliches Augenzwinkern auf. Verschmitzt blickt Charly M. (1983) in die Welt, so als wollte er sagen: »Kinder, manches werdet ihr noch lernen müssen.«

Schinko ist ein Schüler Werner Klemkes, ging aber seinen eigenen Weg. 1943 begann der am 4. Oktober 1929 im böhmischen Wurzelsdorf (Isergebirge) Geborene ein Kunststudium an der Staatsfachschule für Schmuckindustrie in Jablonec nad Nisou. Dann verlor er 1945 seine Heimat, ein Schmerz, der ihm immer blieb, auch wenn er sich der Ursachen dieses Verlustes bewusst war. Schinko ist weder nachtragend noch verdrängt er Geschehenes. Die Verständigung zwischen Deutschen und Tschechen ist ihm eine Herzenssache, ebenso die Wiedergutmachung begangenen deutschen Unrechts. Als in Röbel die Synagoge wieder ins öffentliche Bewusstsein rückte, half er mit, sie zu retten und einer neuen Bestimmung zuzuführen.

An diesem Sonnabend wird der unermüdlich Tätige 85 Jahre alt. Was ist Werner Schinko zu wünschen: Gesundheit, Schaffenskraft, ein scharfer Blick und eine feste Hand. Armin Jähne

Abb. Pinselzeichnung »Des Kaisers neue Kleider«, 1998, VG Bildkunst Bonn 2014

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