Ohrfeige für die Planer

EuGH-Richter sieht Wasserqualität durch Weservertiefung gefährdet

  • Burkhard Ilschner
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Ausbau des Weser-Flussbettes wird immer unwahrscheinlicher: Eine Stellungnahme des Europäischen Gerichtshofes legt den Planern weitere Steine in den Weg.

Die Vertiefung von Außen- und Unterweser dürfte so, wie sie geplant ist, keine Chance auf Verwirklichung haben: Generalanwalt Niilo Jääskinen vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gab am Donnerstag eine Stellungnahme ab, die ungeachtet juristischer Finessen eine schallende Ohrfeige für die Planer sein dürfte.

Laut deren Vorstellungen soll die Außenweser von der Nordsee bis Bremerhaven auf 13,80 Meter sowie die Unterweser von Bremerhaven bis Bremen auf 12,80 Meter (bis Brake) beziehungsweise 11,10 Meter (bis Bremen) vertieft werden. Die meisten der über 1000 Einwendungen hatten die Planer ignoriert, zurückgewiesen oder durch Kompromisse zu beschwichtigen versucht. Gegen die erwarteten ökologischen Folgen klagte der Umweltverband BUND vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Die Leipziger Richter stoppten die Durchführung und legten, neben anderen Kritikpunkten, dem EuGH Detailfragen zur Entscheidung vor. Nach der Stellungnahme Jääskinens wird ein Urteil des EuGH für Anfang 2015 erwartet. Danach muss sich das BVerwG erneut mit dem Fall befassen und entscheiden oder gar neu verhandeln.

Die Fragen an den EuGH sind fokussiert auf die so genannte EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), die auch im Streit um den Kalibergbau eine wesentliche Rolle spielt. Sie schreibt vor, die Qualität von Gewässern bis 2015 nach definierten Kriterien in einen »guten Zustand« zu versetzen. Jeder Eingriff unterliegt einem »Verschlechterungsverbot«, parallel ist ein »Verbesserungsgebot« vorgeschrieben. Beide sind abgestuft ausgerichtet an so genannten »Güteklassen« für die Gewässerqualität. Unklar ist laut BVerwG, wie verbindlich die WRRL anzuwenden sei bei Eingriffen in Gewässer. Zumindest Jääskinens Auffassung dazu ist so eindeutig, wie eine juristische Stellungnahme es in einem politischen Streit sein kann.

Grundsätzlich, so der Generalanwalt, seien EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, einem Projekt die Zulassung zu versagen, wenn es eine Verschlechterung der Gewässerqualität verursachen oder die Erreichung eines »guten Zustands« gefährden könne. Der Begriff »Verschlechterung« sei auch dann anzuwenden, wenn die nachteilige Veränderung nicht zu einer Neubewertung der Güteklasse führe. Eine Bewirtschaftung, die Auswirkungen oder vorhandene Belastungen - Jääskinen verweist ausdrücklich auch auf die Versalzung durch Kalibergbau - nicht berücksichtige, würde »dazu führen, der WRRL jede Wirksamkeit zu nehmen«. Den Ausbau der Weser dem Verschlechterungsverbot zu unterwerfen, sei »die angemessenste Maßnahme«.

Zwar betont Jääskinen, dass die WRRL Ausnahmen zulasse, diese aber seien an »geeignete Bedingungen und Beschränkungen zu knüpfen«. Nach Auffassung von Beobachtern könnte das - je nach Entscheidung des EuGH - dazu führen, dass die Weservertiefung ganz oder teilweise neu verhandelt werden muss. Ob dabei die EU-rechtlichen Hürden real zu überspringen sind, scheint fraglich.

Der Geschäftsführer des BUND Bremen, Martin Rode, begrüßte Jääskinens Äußerungen. Der Verband forderte Bremen und Niedersachsen auf, »von den Planungen für die Weservertiefung zurückzutreten«.

Jääskinens Gutachten und die EuGH-Entscheidung haben auch Folgen für die von Hamburg geforderte Vertiefung der Unterelbe auf bis zu 13,50 Meter. Naturschützer hatten geklagt, das BVerwG setzte die Verhandlung aus, bis der EuGH in Sachen Weser entschieden hat.

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