Beim Mindestlohn fehlen Hunderte Kontrolleure

Linke wirft GroKo Versäumnisse vor / Bericht: Regierungsziel von 1.600 neuen Stellen beim Zoll erst in fünf Jahren erreicht / Konzernlobby wirft Gewerkschaften Stimmungsmache vor

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Update 13.35 Uhr: Die Aufstockung des Personals erfolge in fünf Tranchen, erläuterte das Finanzministerium am Freitag. Es verwies darauf, dass die neuen Mitarbeiter zunächst ausgebildet werden müssen. Im mittleren Dienst betrage die Ausbildungszeit zwei, im gehobenen Dienst drei Jahre. Um stärkere Kontrollen schon ab Anfang 2015 gewährleisten zu können, würden derzeit in der Ausbildung steckende Nachwuchskräfte verstärkt der FSK zugeordnet - zu Lasten anderer Arbeitsbereiche beim Zoll.

Update 13 Uhr: Die Linkenpolitikerin Sabine Zimmermann hat der Bundesregierung Versäumnisse bei der Vorbereitung des Mindestlohns vorgeworfen. Die Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag sagte, die Koalition habe es versäumt, »die Zollverwaltung personell in die Lage zu versetzen, die Einhaltung des Mindestlohns effektiv kontrollieren zu können. Seit langem ist bekannt, dass der Mindestlohn kommt. Die personelle Verstärkung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit so weit in die Zukunft zu verlegen ist überhaupt nicht nachvollziehbar, und es drängt sich der Verdacht auf, dass mehr als ein Auge bei der Mindestlohnkontrolle zugedrückt werden soll. Zudem reicht nach gewerkschaftlichen Einschätzungen auch die Zielgröße von 1.600 zusätzlichen Kontrolleuren nicht aus«.

Bericht: Regierungsziel von 1.600 neuen Stellen beim Zoll erst in fünf Jahren erreicht

Berlin. Für die Einhaltung des Mindestlohns gibts es bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit FSK offenbar weit weniger Mitarbeiter als bisher bekannt. Das berichtet die »Rheinische Post« unter Berufung auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen. »Der FKS stehen aktuell 6.869 Planstellen und Stellen zur Verfügung. Davon sind aktuell rund 600 Stellen unbesetzt«, zitiert das Blatt aus einem Schreiben des Finanzministeriums. Zudem »scheiden ca. drei Prozent der Beschäftigten jährlich altersbedingt oder aus anderen Gründen aus dem Dienst aus«. Neue Nachwuchskräfte erhält die Finanzkontrolle laut Ministerium aber erst ab August 2015.

Die Große Koalition hatte dagegen angekündigt, den Zoll um 1.600 Stellen aufzustocken, damit er ab Anfang 2015 die Einhaltung des Mindestlohns wirksam kontrollieren kann, so die »Rheinische Post«. Diese Zahl werde aber erst in fünf Jahren erreicht. »Schon heute arbeitet die Finanzkontrolle Schwarzarbeit an der Belastungsgrenze«, kritisierte die Grünen-Politikerin Beate Müller-Gemmeke gegenüber dem Blatt. Ab Januar seien aber noch erheblich mehr Mindestlohn-Kontrollen notwendig. »Dafür fehlt aber mehr Personal als bisher öffentlich bekannt.«

Zuvor hatte bereits die Gewerkschaft IG Bau eine Aufstockung der Kontrolleure um mehr als 3.000 Kontrolleure gefordert. Schon im Frühjahr hatte die Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, gewarnt: »Der Bund muss 5.000 neue Mindestlohnkontrolleure einstellen. Sonst bleibt es ein Mindestlohn Light.«

Derweil hat die Unternehmenslobby den Gewerkschaften Stimmungsmache gegen die Konzerne vor dem Start des flächendeckenden Mindestlohns in Deutschland vorgeworfen. »Die Gewerkschaften unterstellen den deutschen Unternehmen rechtswidrige Absichten, bevor der Mindestlohn überhaupt in Kraft getreten ist«, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Statt die Risiken eines flächendeckenden Mindestlohns für Beschäftigung und Konjunktur in den Blick zu nehmen, wird mit haltlosen Vorwürfen Stimmung gemacht.«

Der DGB und Verdi hatten Arbeitgebern vorgeworfen, den Mindestlohn umgehen zu wollen. Zuschläge etwa für besondere Belastungen oder Nachtarbeit würden auf den Stundenlohn angerechnet. Gebühren etwa für Arbeitsgeräte würden in Rechnung gestellt. Der Mindestlohn von 8,50 Euro kommt zum 1. Januar.

Der Arbeitgeber-Dachverband BDA wies auch Kritik an dem Vorhaben zurück, in bestimmten Branchen die Arbeitszeit nicht von Beginn bis zum Ende anzugeben, sondern als Dauer. Das öffne falschen Angaben und Missbrauch Tür und Tor, hatte der DGB kritisiert. Kontrollen durch den zuständigen Zoll sollten quasi unmöglich gemacht werden.

Der BDA wertete die Pläne dagegen als Chance, ein bürokratisches Aufzeichnen der Arbeitszeit zu beschränken. Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte die Verordnung verteidigt: »Das ist mit den Praktikern vom Zoll erarbeitet worden, das erschwert nicht die Kontrollen, sondern das macht sie in der Praxis möglich.« nd/mit Agenturen

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