Regierender Bausenator
Bernd Kammer begrüßt den neuen Chef im Roten Rathaus
Wer hätte vor ein paar Monaten gedacht, dass der nächste Regierende Bürgermeister Michael Müller heißen könnte? Der einstige Kronprinz schien im Rennen um die Wowereit-Nachfolge längst abgeschrieben. Jetzt hat er es doch geschafft, und Sigmar Gabriel reiht ihn gleich ein in die »stolze sozialdemokratische Tradition« von Ernst Reuter über Willy Brandt bis zu Klaus Wowereit.
Ob so viel Vorschusslorbeer angebracht ist, wird sich zeigen. Klar ist, dass der neue Regierende keine Schonfrist genießen wird, wie schon seine ersten Termine zeigen: am gestrigen Donnerstag in die Runde zu seinen neuen Kollegen, den Ministerpräsidenten aus den anderen Bundesländern, von denen einige Berlin an die Finanzen wollen, und an diesem Freitag der erste Auftritt im BER-Aufsichtsrat. Müller muss also gleich dicke Bretter bohren.
Die meisten hat er von Wowereit geerbt, aber einige der brisantesten Baustellen nimmt er aus seinem alten Ressort mit ins Rote Rathaus. Müller ist mitverantwortlich dafür, dass seine Partei das Thema Mieten und Wohnungspolitik lange vernachlässigt hat, erst als Bausenator kurbelte er den Wohnungsbau an. Die Ergebnisse sind nicht berauschend, wohl auch, weil er gegenüber Wowereit und dem Finanzsenator wenig Spielraum besaß.
Das ist jetzt anders. War es bei Wowereit Kultur und Party, will sich Müller über die Stadtentwicklung profilieren. In den drei Jahren als Stadtentwicklungssenator hat er erfahren, wie sehr steigende Mieten und Verdrängung den Leuten auf den Nägeln brennen. Er wolle bei allen Risiken einer wachsenden Stadt den Berlinern »eine sichere Heimat« erhalten, hatte er vor einem Monat, als er von der SPD zum Bürgermeisterkandidaten gekürt wurde, gesagt und dabei gleich noch erklärt, was er unter gutem Regieren versteht: »Partizipation, Dialog und Offenheit«. Damit könnte er es tatsächlich in die sozialdemokratische Ahnengalerie schaffen. Und vielleicht auch die Berliner gewinnen. Die werden 2016 bei der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus abstimmen, ob gestern der richtige Wowi-Nachfolger gewählt wurde.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.