»Eine Umschuldung ist nicht mehr lange ein Tabu«

Was andere Zeitungen aus Europa über die SYRIZA-Forderung nach einem Schuldenschnitt und die deutschen Reaktionen schreiben

  • Lesedauer: 3 Min.

Libération, Frankreich
Zeit für eine alternative Methode

Bravo! Alle Arten von Weisen - darunter einige Nobelpreisträger - erklären schon seit längerem, dass die Sparpolitik der EU exzessiv ist und die Völker in die Verzweiflung treibt. Eine Reaktion musste einfach kommen. Und hier ist sie: Zwei Parteien, die fälschlicherweise als 'populistisch' bezeichnet werden - obwohl sie mit den Nationalisten nichts gemein haben - könnten in Griechenland und Spanien an die Macht gelangen. Die EU-Staaten haben dies verdient. Die Austeritätspolitik hat dazu geführt, dass die Griechen und Spanier ein Viertel ihrer Kaufkraft eingebüßt haben. Die Jungendarbeitslosigkeit wurde in die Höhe getrieben. Und das Schlimmste: All diese Opfer haben die Schuldenberge nicht um einen einzigen Euro reduziert. Es ist Zeit, eine andere Methode auszuprobieren.

Der Standard, Österreich
Deal mit Tsipras könnte Investoren sogar freuen

Die Arbeitslosenrate ist dort noch immer fast 20 Prozentpunkte höher als vor der Krise, die Wirtschaftsleistung niedriger als vor dem Eurobeitritt. Dass sich die Menschen von den Parteien abwenden, die den Karren in den Dreck gefahren haben, ist kein Risiko, sondern funktionierende Demokratie. Ob Alexis Tsipras eine Mehrheit schafft, ist unklar. Wie er sich an einem Tisch mit Angela Merkel verhalten wird, ebenfalls. Eine gute Verhandlungsposition hat er ohnehin nicht. Dass Griechenland seine hohen Schulden nicht ganz zurückzahlen wird, ist aber kein Geheimnis. Ein Deal mit Tsipras könnte Investoren sogar freuen. Verzichten die EU-Länder, bei denen die Griechen den Großteil der Schuld abstottern, auf einen Teil ihres Geldes, könnte das die Aussichten des Landes deutlich verbessern.

de Volkskrant, Niederlande
Merkels Grexit-Signal

Deutsche Medien suggerieren, dass der Bericht im »Spiegel« über die Möglichkeit eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone als Warnung an griechische Wähler gedeutet werden kann. Von »Muskelspielen« ist die Rede. Etwa nach dem Motto: Seid euch der Konsequenzen bewusst, wenn ihr am 25. Januar für die SYRIZA stimmt. Der Kurswechsel kann aber auch als Signal an den deutschen Bürger gesehen werden. Merkels Regierung macht sich große Sorgen über die Pegida-Bewegung. Die vor allem gegen ausländische Flüchtlinge, aber auch gegen Brüssel gerichteten Demonstrationen ziehen immer mehr Leute an. Neue Zuwendungen von Berlin an Athen und eine Lockerung des Reformzwangs würden bei diesen Bürgern schlecht ankommen. Auch der euroskeptischen AfD würde das in die Karten spielen.

Le Monde, Frankreich
Umschuldung nicht mehr lange ein Tabu

Für die Linkspartei SYRIZA ist eine Umstrukturierung eines großen Teils der Schulden Griechenlands das Hauptanliegen. Eine wachsende Zahl von Ökonomen ist auch dieser Ansicht. Früher oder später wird dies unvermeidlich sein, da Europa zwischen Stagnation, Rezession und Deflation gefangen ist. Für die Politiker in Europa ist diese Frage heute noch tabu. Doch es könnte sein, dass die EU eine Diskussion über eine geordnete Umschuldung eines Teil der griechischen Schulden einleitet. In diesem Fall dürfte sie als Gegenleistung eine strikte Einhaltung der Regeln über die zukünftigen Etats Griechenlands fordern.

La Charente Libre, Frankreich
Angst vor den Gegnern der Austerität

Das Argument Deutschlands, dass ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone keine »systemische Gefahr« für das übrige Europa bedeuten würde, ist hypothetisch und voreingenommen. In Wirklichkeit befürchtet Deutschland, dass ein Wahlsieg der Linkspartei Syriza den »Gegnern der Sparsamkeit« in Europa politischen Auftrieb geben würde, zuerst in Spanien, wo die Bewegung Podemos auf einen Durchbruch bei den Parlamentswahlen in diesem Jahr hofft. Diese Meinung Deutschlands könnten die Griechen als unzulässige politische Einmischung betrachten. Am Wahltag könnte dies genau das Gegenteil dessen bewirken, was beabsichtigt war.

Agenturen/nd

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