Ermittler in Erklärungsnot

Tod von Khaled Bahray: Volker Beck stellt Strafanzeige wegen möglicher Strafvereitelung / Hakenkreuze an der Tür von Bahray

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer am Dienstag die Internetseite mit den Pressemeldungen der Dresdner Polizei öffnete, las dort: »Transporter prallte gegen Hauswand« . Erst einen Klick später teilte die Behörde auch mit, dass ein 20-jähriger Flüchtling aus Eritrea tot im Hof der Johannes-Paul-Thilmann-Straße, einem Viertel mit unsanierten Wohnblocks, gefunden wurde. Die Ermittlungen, hieß es, »ergaben bislang keine Anhaltspunkte auf eine Fremdeinwirkung«.

Inzwischen haben sich die Ermittler korrigiert. Khaled Idris Bahray, so wurde über 30 Stunden nach Entdeckung der Leiche bekannt, starb eines gewaltsamen Todes. Er sei durch Messerstiche in Hals und Kopf getötet worden, hieß es nun. Sie wurden erst bei einer Obduktion entdeckt und seien »zunächst nicht erkennbar« gewesen, wie Lorenz Haase, Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, beteuerte. Die Mordkommission wurde auf 25 Beamte aufgestockt; es gab Befragungen mit dem Ziel, die letzten Stunden des Mannes zu rekonstruieren. Er lebte gemeinsam mit anderen Asylbewerber in einer Wohnung in dem Haus und soll am Montagabend zu einem Billigmarkt aufgebrochen sein. Am Morgen wurde er von Nachbarn gefunden.

Gestern dauerten die Ermittlungen an; man setze »die gesamte Maschinerie« von Polizei und Staatsanwaltschaft ein, sagte Haase der Nachrichtenagentur dpa. Zugleich gab es zunehmend Fragen und Kritik an der Arbeit der Behörden. Unter Hinweis auf die Tatsache, dass die Spurensicherung erst mit 30 Stunden Verspätung anrückte, fragte ein Dresdner Boulevardblatt: »Was ist bei den Ermittlungen schief gelaufen?« Volker Beck, Innenpolitikexperte der Grünen im Bundestag, erklärte auf Twitter, er habe Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verdacht der Strafvereitelung gestellt. Auf »MOPO24.de« sprach er von »Ermittlungspannen« und sagte, ihm fehle »jedes Verständnis für das nachlässige Vorgehen der Ermittlungsbehörden«. Die Initiative »Human Rights Concern Eritrea« aus London nannte es in einem Brief an Bundesjustizminister Heiko Maas »merkwürdig«, dass die Polizei ein Fremdverschulden anfangs ausschloss, obwohl der Fall »im Gefolge einwanderungs- und islamfeindlicher Demonstrationen in Dresden« geschah.

Noch völlig unklar war gestern das mögliche Motiv für die Tat. Zwar wird in der Lokalzeitung berichtet, in dem Haus habe es Hakenkreuzschmierereien gegeben. Derlei aber ist auch in Dresden keine Seltenheit. Kein Indiz ist auch die zeitliche Nähe zur montäglichen Demonstration von Pegida, bei der auf Plakaten erneut gegen »Überfremdung« gehetzt wurde. Politiker warnen vor zu schnellen Urteilen. Wichtig sei, »dass wir keine Spekulationen in die eine oder andere Richtung abgeben«, sagte Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), die sich zugleich »sehr geschockt« von dem Todesfall zeigte. Der SPD-Politiker Albrecht Pallas mahnte: »Spekulationen, in welche Richtung auch immer, helfen nicht weiter.« Juliane Nagel (LINKE) appellierte indes unter Hinweis auf Versäumnisse bei früheren Fällen wie dem Leipziger Mord an Kamal K. an die Polizei, eine mögliche rassistische Motivation »sorgfältig zu prüfen«. Der Tod von Bahray könne »Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl von Asylsuchenden in Dresden und ganz Sachsen haben«.

Um dieses ist es schon jetzt schlecht bestellt. Die Flüchtlinge hätten Angst, sagt Margit Weihnert, Landeschefin der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Sachsen. Zwei AWO-Mitarbeitern obliegt die soziale Betreuung von 200 dezentral untergebrachten Flüchtlingen in Dresden. Bezogen auf die Wohnung, in der Bahray lebte, berichtet Weihnert auch von Tritten gegen die Tür und »feindseligen Blicken«. Deutlich sind Leserkommentare unter Berichten zum Tod des Flüchtlings, von denen »Dresden nazifrei« berichtet. Auf Facebook zitiert es Sprüche wie »Einer weniger« und »Warum geht ihr auch montags vor die Tür?« Das sei »ekelhaft und abstoßend«, urteilt das Bündnis.

Für die Antirassistische InitiativeBerlin sind die »widerlichen rassistischen Kommentare« und die »erneute Verschleierungstaktik der Polizei« Anlass, zu einer Demo in Gedenken an Khaled Bahray aufzurufen. Sie soll am Sonntag 14 Uhr am Hermannplatz in Berlin beginnen. In Dresden selbst startet am Samstag ab 15 Uhr eine Demonstration am Albertplatz.

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