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Klimaschutzdynamik und Emissionshandel

Das Kyoto-Protokoll war das erste verbindliche Abkommen zur CO2-Reduktion - und hat bis heute keinen Nachfolger

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor zehn Jahren trat der erste globale Vertrag in Kraft, der den Ausstoß von Treibhausgasen reduzierte.

Russland sei Dank. Anfang November 2004 unterzeichnete der damalige (wie heutige) Präsident Wladimir Putin das Kyoto-Protokoll, das damit am 16. Februar 2005 in Kraft treten konnte. Und weil Putin 16 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen (Stand 1990) mitbrachte, konnte auch das zweite Quorum für das Inkrafttreten des Klimaabkommens erfüllt werden: Die unterzeichnenden Länder mussten zusammen mindestens 55 Prozent der globalen Emissionen verursachen. Ohne Russland wäre das nicht zu erreichen gewesen, denn die USA und Australien - zwei der größten Emittenten - lehnten das Abkommen ab. China galt als Schwellenland ohne Reduktionsverpflichtungen.

Vor zehn Jahren wurden damit erstmals völkerrechtlich verbindliche Ziele für den CO2-Ausstoß festgelegt. Aus heutiger Sicht wirken die 5,2 Prozent, um die die Industrieländer bis 2012 ihre Emissionen verringern mussten, lächerlich. Für die nächsten Jahrzehnte ist von Reduktionsraten von bis zu 40 Prozent die Rede, bis zum Ende des Jahrhunderts muss die Zivilisation praktisch klimaneutral werden. Das 5,2-Prozent-Ziel wurde sogar übertroffen. Die Emissionen der erfassten Staaten gingen laut UNO um fast neun Prozent oder knapp zwei Milliarden Tonnen zurück. Global legte der CO2-Ausstoß im selben Zeitraum aber um etwa das Fünffache der »Einsparung« zu. Und selbst die neun Prozent wurden nur erreicht, indem Staaten freie Emissionsrechte kauften - etwa von Russland.

Als Putin unterschrieb, hatte sein Land die verlangten Einsparungen praktisch schon in der Tasche. Durch den wirtschaftlichen Niedergang lagen die russischen Emissionen um ein Drittel unter denen von 1990. Die Bundesrepublik landete 2012 bei einem Minus von 24 Prozent - vor allem dank des Strukturwandels in Ostdeutschland und des mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ab dem Jahr 2000 einsetzenden Ökobooms.

Global sah es nicht viel anders aus. Entweder schwächelte die Wirtschaft und/oder Wind, Solar und Biomasse verdrängten fossile Energien. Beides hatte aber wenig mit dem Kyoto-Vertrag zu tun. Wozu brauchen wir dann so einen überhaupt, fragen sich nicht wenige bis heute.

Kyoto gab dem Klimaschutz aber auch eine ungeahnte Dynamik. Der Emissionshandel mauserte sich für Länder und Unternehmen zum lukrativen Milliardengeschäft. Dazu trugen nicht nur »überschüssige« Emissionen wie die russischen bei, sondern auch die mit neuen Möglichkeiten, »Klimaschutz«-Maßnahmen aller Art und überall auf dem Planeten zu finanzieren und sich dann zu Hause anrechnen lassen zu können. Daraus resultierte eine ganze Industrie des »guten Gewissens«, die Firmen und Verbrauchern klimaneutrale Dienste und Produkte verkauft. Um das glaubhaft belegen zu können, braucht es wiederum eine kaum überschaubare Kontroll- und Prüfbürokratie.

Nicht zuletzt entstand auch auf Seiten der Nichtregierungsorganisationen eine, oft öffentlich geförderte Klimaexpertise, die ohne Konferenzen und Verträge ihre Basis verlöre. All diesen Kräften gelang es, nach dem Ende des Kyoto-Protokolls ab 2012 zwar keinen neuen Klimavertrag, aber eine zweite Verpflichtungsperiode bis 2020 (Kyoto II) zu etablieren. Nun gibt es zwar für Schwellenländer Reduktionsverpflichtungen, aber auch der fragwürdige Emissionshandel geht weiter. Zuletzt häuften sich die Rekorde: Höchste C02-Konzentrationen in der Atmosphäre, wärmste und allerwärmste Jahre und fossile Energie zu Billigpreisen.

Nach dem letzten Klimagipfel in Lima Ende 2014 machte der renommierte Klimaexperte Hermann Ott seinem Ärger ordentlich Luft. Längst gehe es nicht mehr um »verbindliche Verpflichtungen, deren Ausmaß sich an den ökologischen Grenzen beziehungsweise dem Zwei-Grad-Ziel orientierten«, sondern nur noch um »völlig unverbindliche« Versprechen.

Die Länder können für den 21. Weltklimagipfel Ende 2015 in Paris - dort soll der Nach-Kyoto-Vertrag geschlossen werden - ihre Reduktionsziele ab 2020 melden. Alle Verpflichtungen zusammen sollen reichen, um das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Das erscheint einigermaßen absurd: Die Staaten sollen - verglichen mit Kyoto - viel mehr CO2 einsparen, die Verbindlichkeit nimmt aber ab. Am Freitag beschlossen die UN-Mitglieder die Grundlage für die Verhandlungen in Paris. Das 86-seitige Dokument enthält aber teils widersprüchliche Vorschläge zur CO2-Reduktion. Ob etwas ähnlich Verpflichtendes wie das Kyoto-Protokoll noch einmal zustande kommt, ist völlig offen.

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