Orban schaukelt zwischen Moskau und Brüssel

Ungarns Premier und Russlands Präsidenten geht es in Budapest nicht nur um Energie

  • Silviu Mihai, Budapest
  • Lesedauer: 3 Min.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Budapest-Besuchen von Angela Merkel und Wladimir Putin? Gastgeber Viktor Orban scheint daran zu glauben, doch sein Spielraum ist gering.

Nach dem Besuch der Bundeskanzlerin am 2. Februar empfängt Ungarns Premier Viktor Orban am heutigen Dienstag den russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin. Die meisten ungarischen Medien, ob regierungsfreundlich oder -kritisch, spekulieren seit Wochen über mögliche Zusammenhänge zwischen beiden Begegnungen. Auch die internationale Presse vermutet keinen Zufall. Angela Merkel habe sich doch bisher stets geweigert, ihren rechtspopulistischen Amts- und Parteikollegen zu besuchen. Wenn sie die Quarantäne plötzlich beendet habe, müsse es einen wichtigen Grund geben.

Sicher ist, dass Orban seit mindestens einem Jahr eine Art Schaukelpolitik zwischen Russland und Europa zu betreiben versucht. Kurz vor seinem Moskau-Besuch im Januar 2014 gab Ungarns Premier bekannt, dass der staatliche russische Kernenergiekonzern Rosatom das AKW in Paks um zwei neue Reaktoren erweitern wird. Die Kosten von rund zehn Milliarden Euro übersteigen um ein Vielfaches die Möglichkeiten des Haushalts und werden aus einem Kredit gedeckt, den die russische Regierung zur Verfügung stellt.

Der Vertrag, den Orban und Putin vor einem Jahr unterzeichneten, bleibt bis heute geheim, und der Vorfall löste damals heftige Proteste in Budapest aus. Nicht nur die kleine ungarische Umweltbewegung äußerte sich empört, auch die übrige Zivilgesellschaft und die parlamentarische Opposition kritisierten das Vorgehen der Regierung.

Traditionell vertrat die sozialdemokratische MSZP eine gemäßigte Linie in der ungarischen Ostpolitik und wurde dafür immer wieder von den Fidesz-Scharfmachern als »kommunistisch« und »rot« bezeichnet. Doch Orban schwenkte um. Die Zeiten hätten sich geändert, behauptete er in der Grundsatzrede vom vergangenen Sommer. Darin verkündete er das Ende der liberalen Demokratie verkündete und schlug unter anderen Russland und China als Vorbilder für Ungarn und Europa vor.

Die meisten Fidesz-Politiker erklärten sich bereit, diese neue außenpolitische Orientierung mitzutragen. Ungarns politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit müsse auch im Bereich Energie gestärkt, der »Befreiungskampf gegen die Brüsseler Bürokraten« weitergeführt werden, so der Tenor der Regierungspartei. Mehr noch: Der Westen wolle die Magyaren in einen neuen Kalten Krieg gegen Russland treiben.

Ganz anders hört sich Orbans Rhetorik an, wenn er in Brüssel oder in anderen Hauptstädten westeuropäische Staats- und Regierungschefs trifft. Ungarn sei bereit, gemeinsame Sanktionen gegen Russland mitzutragen, selbst wenn dies den nationalen Interessen eigentlich schade, betont der Premier immer wieder auf seinen Reisen nach Brüssel. Entsprechend gemäßigt äußerte er sich während der Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel. Übrigens sei es eine sehr gute deutsche Idee, zukünftig eher auf Kooperation mit Russland zu setzen, etwa indem die europäische Zusammenarbeit mit der Eurasischen Union ausgebaut werde.

Dabei ginge es um Wirtschaftsbeziehungen, in erster Linie um Energiefragen, betonte Orban. Das sei auch das wichtigste Thema seiner Gespräche mit Putin. Gemeint ist vor allem ein Ersatz für das auf EU-Druck gescheiterte Southstream-Projekt einer Pipeline, die russisches Gas über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Mitteleuropa transportieren sollte. Auch läuft 2015 Ungarns Vertrag mit Gazprom ab, und muss erneuert werden, stellte Orban fest: »Es geht um die Heizungsrechnung ungarischer Familien, ausländische Journalisten sollten Verständnis zeigen.«

Orban-Gegner warnen vor einem Verlustgeschäft, das der Premier eingehen könnte, um den »Brüsseler Bürokraten« zu trotzen und seiner Parteiklientel finanzielle Vorteile zu verschaffen. Angesichts der Abhängigkeit der Wirtschaft von deutschen Privatinvestitionen und EU-Strukturfonds, sollte längst klar sein, wie prekär Orbans Doppelspiel ist, und wie gering sein Spielraum immer war. Sollte es hart auf hart kommen, könnte Brüssel durch das Einfrieren der EU-Gelder - etwa aufgrund der zahlreichen Korruptionsskandale - die Fidesz-Regierung in die Knie zwingen.

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