Stadionbesuche ohne Angst

Linke Fans unterstützen RB Leipzig. Sie sagen, dort gebe es keinen Rassismus

  • Max Zeising, Halle
  • Lesedauer: 4 Min.
Kritik an RB Leipzig ist allgegenwärtig - auch in Halle, wo Fans gegen ein RB-Nachwuchscamp protestierten. Dabei freunden sich sogar alternative Fans mit dem Klub aus der Nachbarstadt an.

Fußballfans können - je nach Lieblingsverein - ganz verschiedene Meinungen und Ansichten haben. In einer Sache sind sich jedoch fast alle einig: RB Leipzig, diesen von Milliardär Dietrich Mateschitz und seinem Getränkeunternehmen gelenkten Verein aus der Messestadt, kann und darf man nicht mögen. Auswärtsspiele bei den Leipzigern werden von vielen Fangruppen boykottiert.

Unter ihnen ist jedoch umstritten, ob ein Protest gegen RB wirklich etwas bewirkt. Die oft als eher links verorteten Fans von Union Berlin demonstrierten beim 2:1-Heimsieg im September mit schwarzen Regenplanen für Fußballtradition, auswärts organisierten sie mit einem Traditionskick sogar eine Art Gegenveranstaltung. Die Anhänger des FC St. Pauli versuchten es anders und feuerten beim Besuch in Leipzig trotz einer 1:4-Niederlage ihre Mannschaft 90 Minuten lang lieber an, anstatt Unmut über RB zu äußern.

Auch Oberligist VfL Halle 96 hat eine alternative Fanbasis, wenn auch viel kleiner als die jener Zweitligisten. Diese Anhänger fahren sogar gern zu RB-Heimspielen ins nur knapp 40 Kilometer entfernte Leipzig fährt. Fanbetreuer Robin North versucht sich in einer differenzierten Sichtweise auf den Verein aus der Nachbarstadt: »Natürlich ist es nicht gut, dass man bei RB kein Mitspracherecht hat. Doch die Frage ist: Möchte ich als Fan Mitspracherecht haben oder einfach nur guten Fußball sehen?«, so North. Außerdem müsse man dort als Zuschauer keine Angst vor randalierenden Hooligans haben: »Die Leipziger sind ein Familienverein. Da kann man auch seine Kinder mitnehmen. Der Klub zieht keine Chaoten an.«

In diesem Punkt unterscheidet sich RB Leipzig deutlich vom Stadtkonkurrenten Lok, dessen Fans zum Teil sogar Neonazis sind. Dort griff beim Oberligaspiel gegen Schott Jena die rechtsextreme Fangruppe Scenario Lok, die sich mittlerweile aufgelöst hat, den Sicherheitschef Martin Mieth an, nachdem dieser gegen das Aufhängen eines verbotenen Banners protestiert hatte. Auch an der islamfeindlichen Legida-Organisation sollen Lok-Sympathisanten beteiligt sein.

Allerdings sind auch einige RB-Fans bereits durch Rassismus aufgefallen. Beim Ostderby in Aue waren diskriminierende Rufe wie »Zigeuner« und »Juden Aue« zu hören. Auch beim Testspiel gegen Getafe im vergangenen Juli, in Nürnberg und bei Lok Leipzig kam es zu rassistischen und homophoben Äußerungen. Immerhin spricht für RB, dass die Vorfälle sofort öffentlich gemacht wurden. »Das ist ein Einzelfall«, sagte David Grabow vom Fanverband nach dem Spiel in Aue. Menschenverachtenden Sprechchören müsse entschieden begegnet werden. Darin sei man sich bei RB einig.

Mit rechten Fans will Robin North nichts zu tun haben: »Wir wollen einfach nur Fußball schauen, und das in einer angenehmen Atmosphäre, in der es weder Rassismus noch Homophobie gibt.« Das Argument, RB gefährde die Fußballtradition, interessiert ihn da weniger. Er versucht es sogar zu entkräften: »Auch der VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen sind Vereine, die durch Unternehmen finanziert werden. Darüber regt sich niemand mehr auf. Und sogar der Hamburger SV profitiert vom Geld seines Anteilseigners Klaus-Michael Kühne.«

Wohin der Kampf gegen RB führen kann, war kürzlich in Halle zu spüren, wo die Leipziger ein Trainingscamp für Kinder und Jugendliche veranstalten wollen. Ursprünglich war der Platz des Amateurvereins Motor Halle als Austragungsort geplant. Doch Protest regte sich. Es soll Drohungen gegeben haben, das Gelände zu zerstören. Also sagte Motor das Camp ab. Im Anschluss wollte Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) ein Zeichen setzen: Das Camp soll nun im Rahmen einer »Mitteldeutschen Fußballwoche für Toleranz« im Juli im Stadion des Halleschen FC stattfinden.

Doch es dauerte nicht lange, bis die RB-Gegner erneut zurückschlugen. Per Online-Petition will ein HFC-Fan, bis zum 10. Juni 5000 Unterschriften gegen das Trainingscamp sammeln. Aktuell sind es bereits mehr als 3500.

»Wir stehen für Tradition, Geschichtsbewusstsein und Liebe zum Fußball und zum HFC und sehen diese Werte mit der Ausführung einer solchen Veranstaltung gefährdet«, heißt es in der Petition. Noch vehementer klingen die Kritiker auf Facebook. »Herr Wiegand, lassen sie das nicht zu, zum Schutz der Kinder«, heißt es in einem Kommentar. Robin North ist empört: »Ich kann die Fans zwar verstehen, weil sie Angst haben, dass die Kurven in den anderen Stadien durch RB immer leerer werden. Aber so ein Verhalten geht gar nicht.«

Die Anhänger des VfL Halle 96 gehen auf ihre ganz eigene Art mit RB Leipzig um. Beim Spiel gegen die zweite Mannschaft des großen Nachbarn standen beide Fangruppen zusammen in einem Block und warben füreinander. »In Halle gibt es nur einen Verein: den VfL«, stand auf einem Transparent der Leipziger. »In Leipzig gibt es nur RBL und RSL«, antworteten die Hallenser und bezogen so Roter Stern Leipzig, einen weiteren befreundeten Verein, mit ein.

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