Ohne GEMA keine Musik auf Demos?

Staatliche Treuhänderin will Anmelder schröpfen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Sebastian Lorenz staunte nicht schlecht, als ihm ein Brief der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) ins Haus flatterte. Denn Lorenz ist weder Konzertveranstalter noch anderweitig in der Musikbranche tätig. Vielmehr ist Lorenz Sprecher des Bündnisses Lichtenberg gegen Rechts. In dieser Rolle fungierte er als Anmelder einer antifaschistischen Demonstration, die durch den Ostberliner Problembezirk verlaufen war. Wie bei fast jeder Demo wurden vom Lautsprecherwagen nicht nur Reden gehalten, sondern auch Musik abgespielt. Das war nun der Anlass für das Schreiben der GEMA, die für die abgespielten Titel eine Gebühr verlangt. Die Playlist hatten die Rechteverwerter nach eigenem Bekunden längst auf dem Tisch liegen. Ein eifriger Polizeibeamter hatte alle Musiktitel aufgeschrieben und an die GEMA geschickt. Sebastian Lorenz sieht hierin eine neue Form der Repression: »Wenn die Polizei jetzt plötzlich als Handlanger der GEMA in Erscheinung tritt, obwohl das definitiv nicht ihre Aufgabe ist, kann man davon ausgehen, dass es darum geht, linke Politik zu diskreditieren.« Der Berliner Polizeipräsident hat sich inzwischen jedoch von dem Beamten distanziert und in einer Weisung an alle Dienststellen den Polizisten untersagt, zukünftig Musiktitel an die GEMA weiterzuleiten. Also alles nur das Wirken eines übereifrigen Beamten? Einige Anmelder politischer Aufzüge bezweifeln das. Schließlich stünden Polizeibeamte auf Demonstrationen in einer Befehlskette und könnten nicht einfach machen, was sie wollen. Mittlerweile stellte sich zudem heraus, dass die GEMA nicht das erste Mal Geld verlangte. So berichtete der Anmelder einer antifaschistischen Kiez-Parade durch Berlin-Friedrichshain, die im März des Jahres stattgefunden hatte, dass die GEMA knapp zwei Wochen danach einen Gebührenbescheid von 200 Euro an seine Privatadresse schickte. »Weder mein Name noch gar meine Adresse waren aber in der Öffentlichkeit bekannt«, meinte der Mann, der auch gegenüber ND anonym bleiben will. Jetzt will er über den Berliner Datenschutzbeauftragten klären lassen, wie und auf welcher Rechtsgrundlage seine Daten an die GEMA gingen. Offenbar geht es bei diesen Fällen nicht so sehr um Repression, sondern darum, dass politische Veranstalter zunehmend mit Eventmanagern und Konzertveranstaltern konkurrieren müssen. Der öffentliche Raum, die Straße wird zur Ware, in dem für Unterhaltung, zu der auch Politveranstaltungen zählen, bezahlt werden soll. Doch auch Demoanmelder, die sich die GEMA nicht leisten können oder wollen, müssen künftig nicht auf Musik verzichten. Schließlich gibt es GEMA-freie Musik. Die Initiative dafür ging von DJs aus dem elektronischen Musikbereich aus, die sich durch die GEMA nicht vertreten fühlten. Musiker anderer Genres haben sich dieser Initiative angeschlossen und verlegen Musik, für deren Titel keine Gebühr entrichtet werden muss.
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