Wer braucht schon Europa?
Uwe Sattler über umgedrehte Vorzeichen in den Beziehungen EU-Türkei
Wenn Martin Schulz einem Land seine Aufwartung macht, verheißt das meist nichts Gutes. So war es im Fall Griechenland, als der Europaparlamentschef nach der Wahl von Alexis Tsipras zum Regierungschef in Athen die Verbundenheit der EU mit Griechenland betonte - und kurz darauf die Daumenschrauben angezogen wurden. In Ankara bekräftigte Schulz am Mittwoch, die Türkei sei »einer der wichtigsten Partner Europas«. Was der Brüsseler »Fortschrittsbericht« in drei Wochen zur türkischen EU-Beitrittsfähigkeit sagen wird, lässt sich jedoch ahnen.
Ohne Zweifel, auch 28 Jahre nach dem ersten Aufnahmeersuchen erfüllt die Türkei die Kriterien für eine EU-Mitgliedschaft gerade in den Bereichen Menschenrechte und Demokratie nicht. Die Sperrung missliebiger Internetseiten waren nur die jüngsten Beispiele. Mustergültig ist allenfalls der türkische Weg der Marktliberalisierung. Nur: Was Brüssel sagt, interessiert in Ankara schon längst niemanden mehr. Die Beitrittsgespräche stehen praktisch still. Der türkische Premier Erdogan brauchte das Drängen auf EU-Mitgliedschaft für sein innenpolitisches Renommee, der spätere autokratische Präsident Erdogan ist aus der Rolle des Bittstellers längst heraus. Die hat nun Brüssel inne. Denn es ist inzwischen die EU, die ihre Außenpolitik mit einem starken Partner an Europas Seite aufpolieren muss. Auch wenn das Schulz verschweigt.
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