Islamismus auf allen Kanälen

Französischer Sender TV5 Monde wurde Opfer von IS-Hackern

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Hacker-Angriff auf den Sender TV5 Monde empört Frankreich. Islamisten legten das TV-Programm lahm und verbreiteten Propaganda in den sozialen Medien.

Mit einem massiven Hackerangriff haben Terroristen des »Islamischen Staates« (IS) den französischen Fernsehsender TV5 Monde stundenlang lahmgelegt und ihre Propaganda verbreitet. In der Nacht zum Donnerstag waren sie zunächst über Facebook und andere soziale Netzwerke in das Computersystem des Senders eingedrungen und hatten auf den Internetseiten von TV5 Monde Videos, Fotos und Texte platziert. In kurzer Zeit konnten sie die Schutzmechanismen überwinden, die Kontrolle über das gesamte interne Computersystem übernehmen und den Sendebetrieb lahmlegen.

Die elf Fernsehsender der Gruppe, die gemeinsame Programme des französischen Fernsehens und der französischsprachigen Partnersender in Belgien, der Schweiz, Kanada und anderen Länder nicht nur in Europa, sondern auch in Nordafrika, im Nahen Osten, in Asien und Nordamerika ausstrahlen, blieben drei Stunden lang schwarz. Dann gelang es den Ingenieuren, das System wieder unter Kontrolle bringen. Zunächst wurden allerdings nur aufgezeichnete Sendungen ausgestrahlt, während man eine erste Livesendung für Donnerstagabend vorbereitete.

Derweil arbeiteten Internetspezialisten der Sicherheitskräfte fieberhaft daran, das Vorgehen der Cyber-Terroristen zu analysieren, um neuen Angriffen vorzubauen. Noch ist offen, ob die IS-Hacker in Frankreich zu suchen sind und ob sie Helfer im Innern der Sendergruppe hatten. Premierminister Manuel Valls bezeichnete die Operation der IS-Terroristen als »unerträglichen Angriff auf die Meinungsfreiheit« und versicherte, dass man alles daran setzen wird, diesen Leuten das Handwerk zu legen.

Außenminister Laurent Fabius, Innenminister Bernard Cazeneuve und die Kultur- und Medienministerin Fleur Pellerin berieten am Donnerstag am Pariser Sitz der Fernsehsendergruppe mit Direktor Yves Bigot über die Konsequenzen dieses bisher beispiellosen Internet-Terrorangriffs.

»Es ist frustrierend, selbst im Zentrum der Nachrichten zu stehen und handlungsunfähig zu sein«, sagte der Fernsehjournalist David Delos. Wie Direktor Yves Bigot erklärt, hat der Sender im Vorfeld keine Drohungen bekommen, war allerdings vor zwei Wochen Ziel eines ersten begrenzten Hackerangriffs aus unbekannter Richtung. »Das war möglicherweise ein Test«, meint er jetzt. Dass ausgerechnet TV5 Monde Ziel der Terroristen wurde, verwundert Bigot nicht. »Wir haben weltweit Millionen von Zuschauern und daher konnten die Täter auch mit einem internationalen Echo auf ihre Tat rechnen.«

Die Terroristen ließen keinen Zweifel an ihren Absichten. Sie zeigten auf den Internetseiten des Senders Fotos und Personaldokumente von französischen Militärs, die im Nahen Osten im Einsatz sind und erklärten: »Soldaten Frankreichs, haltet euch vom Islamischen Staat fern. Ihr habt die Chance, das Leben eurer Familien zu retten, nutzt sie.« Präsident François Hollande warfen sie das Engagement Frankreichs an der Seite der USA gegen den IS vor und warnten, dass die Terrorakte im Januar in Paris, die 17 Menschenleben forderten, nur eine erste Reaktion waren.

Um ihr Potenzial zu demonstrieren, ihre Propaganda zu verbreiten und neue Kämpfer zu gewinnen, haben IS-Terroristen in den zurückliegenden Monaten zahlreiche französische Internetseiten angegriffen, zeitweise unter ihre Kontrolle gebracht und zur Ausstrahlung ihrer Videos und Aufrufe genutzt, darunter die der Stadt Biarritz und der Gedenkstätte von Oradour-sur-Glane. Der Angriff auf TV5 Monde hat jedoch deutlich größere Dimensionen. »Es wird höchste Zeit, dass das neue Gesetz über die Terrorbekämpfung den Sicherheitskräften erweiterte Kompetenzen und technische Möglichkeiten in die Hand gibt«, ist der Anti-Terrorexperte Jean-Marc Manach überzeugt. »Es geht um ganz neue Arten der Bedrohung, auf die man sich einstellen muss.« Der Gesetzentwurf wird in der nächsten Woche im Parlament beraten. Er soll nun im Schnellverfahren verabschiedet werden.

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