Alles andere als Feenstaub

Es gibt bundesweit wieder mehr Rauschgifttote - Grund sind vor allem synthetische Drogen

Die in ihrer Wirkung nur schwer einzuschätzenden synthetischen Modedrogen sind auf dem Vormarsch. LINKE und Grüne halten das repressive Konzept der Bundesregierung für gescheitert.

Es ist einfach, an »Legal Highs« heranzukommen, der Blick ins Internet genügt. Ein Onlineshop preist ganz offen die mit synthetischen Drogen versetzten Kräutermischungen an, verspricht eine Auszeit und Entspannung, als handele es sich um Wellnessprodukte. Die Mischungen heißen »New Delhi«, »Jamaican Gold Extreme« oder »Freeze«, ihre Verpackungen zeigen psychodelische Bilder oder ekstatisch tanzende Menschen. Es gibt zwar einen Warnhinweis, dass die Räuchermischungen nur zum Abbrennen in Räumen vorgesehen seien, nicht zum Inhalieren. Dabei handelt es sich aber um die übliche Masche der Händler, den eigentlichen Zweck der Drogen zu verschleiern, um rechtliche Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes zu umgehen.

Die Mischungen haben eine ähnliche Wirkung wie bekannte illegale Drogen - Cannabis, Ecstasy oder Amphetamin. Weil in »Legal-Highs« eine Vielzahl von Substanzen wirkt, ist eine genaue Beschreibung der Drogen nur schwer möglich. Immer wieder wechseln ihre Zusammensetzungen. In Deutschland gibt es mittlerweile über 1500 verschiedene Produkte mit rund 160 unterschiedlichen Substanzen. Allein im vergangenen Jahr wurden 58 neue Wirkstoffe erstmals auf dem deutschen Markt festgestellt. Der Handel ist erst einmal nicht verboten, jeder einzelne Stoff muss einzeln ins Betäubungsmittelgesetz aufgenommen werden. Die Hersteller liefern sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Ermittlern.

Längst fordert das Bundeskriminalamt eine andere Verfahrensweise für diese »Neuen Psychoaktiven Stoffe«, wie »Legal Highs« offiziell heißen. »Es müssen ganze Stoffgruppen unter Strafe gestellt werden«, sagte der BKA-Vorsitzende Holger Münch zur jährlichen Drogenstatistik, die Marlene Mortler (CSU) als Beauftragte der Bundesregierung am Dienstag in Berlin präsentierte.

Demnach ist die Zahl der Rauschgifttoten im vergangenen Jahr wieder angestiegen - 2014 starben 1032 Menschen, vor allem durch die Einnahme synthetischer Drogen, wie es hieß. Insgesamt forderte der Rauschgiftkonsum drei Prozent mehr Opfer als 2013. Auch die Zahl der Todesfälle nach dem Konsum von »Legal Highs« stieg an: Waren es 2013 noch fünf Tote, starben im vergangenen Jahr 25 Menschen, nachdem sie diese Droge konsumierten.

Mortler sprach von einem »getrübten Blick« auf eine jedoch langfristig positiven Entwicklung. Bis 2013 sei die Zahl der Drogentoten nämlich deutlich zurückgegangen. Mit Nachdruck setzt sie sich dafür ein, dass der Handel mit »Legal Highs« leichter bestraft werden kann. Derzeit arbeiten das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesjustizministerium an einem Gesetz; wann es vorgestellt wird, wollte Mortler nicht sagen. Da es sich auch um Substanzen handele, die im Alltag verwendet würden, sei das Gesetz eine Herausforderung.

Die Opposition im Bundestag hält die repressive Drogenpolitik der schwarz-roten Koalition längst für gescheitert. »Die Vorstellung der aktuellen Zahlen zeigt, wie ideenlos die Drogenbeauftragte agiert«, sagte Harald Terpe, drogenpolitischer Sprecher der Grünen. Neue Verbote seien keine Antwort auf die organisierte Kriminalität, die mit dem Drogenhandel nach wie vor florierende Geschäfte mache. »Wer harte synthetische Modedrogen wie Chrystal Meth konsumiert, kümmert sich nicht um eine mögliche Strafverfolgung«, glaubt auch Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der LINKEN. Das Bedürfnis nach Rausch sei einfach vorhanden.

»Selbst wenn die Polizei besonders strikt gegen Cannabis vorgeht wie in Bayern, dann weichen die Kiffer auf andere Drogen aus«, erklärt Tempel und verweist auf die überdurchschnittlich hohe Verbreitung von »Legal Highs« in Bayern. Für den LINKE-Abgeordneten ist das eine bedenkliche Entwicklung: Zweifelsohne sei nämlich das Risiko von synthetischen Drogen größer als beim natürlichen Cannabis. »Die Wirkung eines Joints kann man besser einschätzen als bei einer Räuchermischung, bei der niemand weiß, was wirklich drin ist.«

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