Eine kleine Geschichte des Commonismus

Die Ideen von einer Gesellschaft des Teilens

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Stell dir eine Welt vor, in der die Gesellschaft das Privateigentum zu einem Nebenschauplatz degradiert, wo die Idee vom Besitz des Einzelnen zugunsten der Vision einer Gesellschaft des Teilens abgelöst wurde. Hört man die Publizistin Anke Domscheit-Berg voller Überzeugung von der Idee der Commons erzählen, bekommt man unweigerlich den Eindruck, die Linke könnte nach dem Scheitern des real existierenden Sozialismus nach langer Suche tatsächlich eine neue gesamtgesellschaftliche Vision gefunden haben, an der es in den letzten zwei Jahrzehnten fehlte, wie die Philosophin Frigga Haug zum Auftakt der »Linken Woche der Zukunft« bemerkte. Und das, obwohl bereits vielen Menschen klar ist und immer mehr wird, dass die sozialen wie ökologischen Krisen durch den Kapitalismus nicht gelöst werden können. Allein die Infragestellung des Bestehenden schafft noch keine Antwort auf das Folgende.

Dabei ist die Vision einer Gesellschaft der Gemeingüter längst keine ferne Zukunftsmusik mehr, sagt Domscheit-Berg. Die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft im Gleischritt mit der nächsten industriellen Revolution biete schon in den nächsten Jahren die Möglichkeit zur grundsätzlichen Veränderung der Eigentumsverhältnisse. Neue Erfindungen (darunter insbesondere der 3D-Drucker) könnten der Ausgangspunkt für eine »demokratische Produktion« sein, so ihre These. Technische Innovation als Chance und nicht, wie es viele Linke noch immer verstehen, als Ängste hervorrufende Zukunftsvision.

Es käme vor allem darauf an, die Entwicklung frühzeitig mitzugestalten, so Domscheit-Berg und eben nicht der Privatwirtschaft zu überlassen, die ihre Spielart der Gesellschaft des Teilens als Share-Economy zwar als sanftere Form des Kapitalismus verkauft, am Ende aber doch nur wieder Profitinteressen verfolgt, wodurch die derzeitigen Abhängigkeitsverhältnisse bestehen blieben. Ganz anders dagegen im Commonismus.

Die ökonomischen wie ökologischen Vorteile liegen auf der Hand, rechnet die Publizistin vor. So ließen sich etwa die Autoproduktion um 80 Prozent senken, würde der fahrbare Untersatz Teil einer Gesellschaft des Teilens verstanden. Im »Commonismus« (Domscheit-Berg) bliebe unter Berücksichtigung der rasant wachsenden Produktivität Zeit für Dinge jenseits der Erwerbsarbeit, woran sich fast unmittelbar Frigga Haugs Modell vom Leben im 4/4-Takt anschließt. (Ebenso bekannt als Vier-in-einem-Perspektive)

In der Utopie ihrer Idee einer anderen Gesellschaft, existieren die vier Lebensbereiche Erwerbsarbeit, Reproduktion, Bildung und politische Teilhabe gleichberechtigt nebeneinander, wodurch jeder Mensch die Möglichkeit erhalte, sich frei verwirklichen zu können.

Zwei Ideen, die Commons als auch die Vier-in-einem-Perspektive, ließen sich als eine gemeinsame Utopie verbinden. Es wäre ein möglicher Ansatz der Linken, das Träumen wieder zu lernen.

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.